Wie hat sich in Ihrer Wahrnehmung das Verhältnis zwischen Politik und Medien seit der letzten Bundestagswahl verändert?
Vom Honeymoon zur Beziehungskrise – das kommt mir bei dieser Frage als Erstes in den Sinn: Die Ampel versprach viel Aufbruchstimmung und flirtete recht erfolgreich mit den Medien – von Instagram bis FAZ. Die Opposition verlor sich zunächst in Personaldebatten. Heute herrscht auf allen Seiten Enttäuschung. Einen ausgewogenen Umgang mit rechts wie links außen, ohne extremistischen Ansichten eine Plattform zu bieten, haben zudem bisher weder die etablierten Parteien noch die Medien gefunden. Weitgehend geeint ist man in der Sorge um die Demokratie sowie in der Haltung zum Ukrainekrieg und zur Brandmauer zur AFD, gibt damit aber gesellschaftlichen Spaltungstendenzen und Opfernarrativen gleichzeitig auch wieder Raum. Eine komplexe und schwierige Gemengelage.
Welchen Einfluss haben die Veränderungen in der Medienlandschaft auf Ihre tägliche Arbeit?
Dynamik versus Relevanz sind die Stichworte, die mir hier in den Sinn kommen. Digitalisierung und die Zunahme sozialer Medien sind für mich wesentliche Veränderungen der Medienlandschaft, die meine Arbeit als Kommunikatorin stark beeinflussen. Auf der „Senderseite“ fordern sie von mir Anpassungsfähigkeit, um Inhalte kanalspezifisch zu optimieren, eine schnelle Reaktionsfähigkeit und eine kohärente Multikanal-Strategie. Eine besondere Herausforderung ist aus meiner Sicht, Kreativität und Datenorientierung unter einen Hut zu bringen, um effektiv zu kommunizieren und die Wirksamkeit eigener Botschaften zu messen. Parallel benötige ich auf der Empfängerseite gute Filtermethoden, um der zunehmenden Informationsflut beizukommen. Das ist manchmal ganz schön stressig, reizt aber meine Experimentierfreude.
Wie muss sich die politische Kommunikation angesichts des großen Einflusses von TikTok und anderen sozialen Medien verändern, um vor allem bei jungen Menschen Gehör zu finden? Welche Auswirkungen wird das auf die Kampagnen für die Bundestagswahl im nächsten Jahr haben?
Es ist wohl eine Binsenweisheit, dass ich Menschen, die ich überzeugen möchte, dort abholen muss, wo ich sie und sie mich finden. Wir werden daher im Ringen um die Aufmerksamkeit jüngerer Wähler:innen sicherlich auch eine Art Memefizierung der Wahlkampagnen erleben. Aber junge Menschen sind nicht blöd. Einfach nur „goofy“ sein auf TikTok & Co., das wird nicht reichen. Die etablierten Parteien haben die Interessen der „Alten“ zumindest gefühlt lange Zeit über die Interessen der „Jungen“ gestellt. Oder sehen Sie irgendwo ein klares Zukunftsversprechen für die Generation Z? Wer diesen Eindruck nicht mit inhaltlichen Botschaften durchbrechen kann, wird junge Wähler:innen gefrustet zurücklassen – mit und ohne TikTok.
Sabine Jeschke leitet seit März 2018 den Bereich Corporate Communications und Public Affairs bei der LEG Immobilien SE. Zuvor war sie im RWE-Konzern in verschiedenen Führungspositionen im Bereich der Kommunikation tätig und verantwortete u. a. die Medienarbeit für den Börsengang der innogy SE. Sie leitete zeitweise das Vorstandsbüro der RWE AG und verfügt zudem über Erfahrungen in Investor Relations, Marketing, BCM sowie im Zentralbankwesen. Begonnen hat sie ihre berufliche Laufbahn im Vertrieb eines US-amerikanischen Markenartiklers, von wo aus sie in die Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Bundesbank wechselte.
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