Transformation Quarterly 02_2024

Wie hat sich in Ihrer Wahr­nehmung das Verhältnis zwischen Politik und Medien seit der letzten Bundes­tags­wahl verändert?

Vom Honeymoon zur Beziehungs­krise – das kommt mir bei dieser Frage als Erstes in den Sinn: Die Ampel versprach viel Aufbruch­stimmung und flirtete recht erfolg­reich mit den Medien – von Instagram bis FAZ. Die Opposition verlor sich zunächst in Personal­debatten. Heute herrscht auf allen Seiten Ent­täuschung. Einen ausgewogenen Umgang mit rechts wie links außen, ohne extre­mistischen Ansichten eine Platt­form zu bieten, haben zudem bisher weder die etablierten Parteien noch die Medien gefunden. Weit­gehend geeint ist man in der Sorge um die Demokratie sowie in der Haltung zum Ukraine­krieg und zur Brand­mauer zur AFD, gibt damit aber gesell­schaftlichen Spaltungs­tendenzen und Opfer­narrativen gleich­zeitig auch wieder Raum. Eine komplexe und schwierige Gemenge­lage.

Welchen Einfluss haben die Veränderungen in der Medien­landschaft auf Ihre tägliche Arbeit?

Dynamik versus Relevanz sind die Stich­worte, die mir hier in den Sinn kommen. Digitali­sierung und die Zunahme sozialer Medien sind für mich wesent­liche Veränderungen der Medien­land­schaft, die meine Arbeit als Kommuni­katorin stark be­ein­flussen. Auf der „Sender­seite“ fordern sie von mir Anpassungs­fähigkeit, um Inhalte kanal­spezifisch zu optimieren, eine schnelle Reaktions­fähig­keit und eine kohärente Multi­kanal-Strategie. Eine besondere Heraus­forderung ist aus meiner Sicht, Kreativität und Daten­orientierung unter einen Hut zu bringen, um effektiv zu kommuni­zieren und die Wirk­sam­keit eigener Bot­schaften zu messen. Parallel benötige ich auf der Empfänger­seite gute Filter­methoden, um der zunehmenden Informations­flut bei­zu­kommen. Das ist manchmal ganz schön stressig, reizt aber meine Experimentier­freude.

Wie muss sich die politische Kommuni­kation angesichts des großen Einflusses von TikTok und anderen sozialen Medien ver­ändern, um vor allem bei jungen Menschen Gehör zu finden? Welche Aus­wirkungen wird das auf die Kampagnen für die Bundes­tags­wahl im nächsten Jahr haben?

Es ist wohl eine Binsen­weis­heit, dass ich Menschen, die ich über­zeugen möchte, dort ab­holen muss, wo ich sie und sie mich finden. Wir werden daher im Ringen um die Auf­merk­samkeit jüngerer Wähler:innen sicherlich auch eine Art Meme­fizierung der Wahl­kampagnen erleben. Aber junge Menschen sind nicht blöd. Einfach nur „goofy“ sein auf TikTok & Co., das wird nicht reichen. Die etablierten Parteien haben die Interessen der „Alten“ zumindest gefühlt lange Zeit über die Interessen der „Jungen“ gestellt. Oder sehen Sie irgend­wo ein klares Zukunfts­versprechen für die Generation Z? Wer diesen Eindruck nicht mit inhalt­lichen Bot­schaften durch­brechen kann, wird junge Wähler:innen gefrustet zurück­lassen – mit und ohne TikTok.

 

Sabine Jeschke leitet seit März 2018 den Bereich Corporate Communications und Public Affairs bei der LEG Immobilien SE. Zuvor war sie im RWE-Konzern in verschiedenen Führungs­positionen im Bereich der Kommunikation tätig und ver­ant­wortete u. a. die Medien­arbeit für den Börsen­gang der innogy SE. Sie leitete zeitweise das Vorstands­büro der RWE AG und verfügt zudem über Erfahrungen in Investor Relations, Marketing, BCM sowie im Zentral­bankwesen. Begonnen hat sie ihre beruf­liche Lauf­bahn im Vertrieb eines US-amerikanischen Marken­artiklers, von wo aus sie in die Öffent­lich­keits­arbeit der Deutschen Bundes­bank wechselte. 

Foto: Sabine Jeschke

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