Vielfalt, Offenheit, Respekt – diese Werte sind Standard in Ethikgrundsätzen von Unternehmen. Auf ihnen bauen ganze Compliance- und Corporate-Governance-Systeme auf. Für das Employer Branding ist Diversität unverzichtbarer Kern einer attraktiven Unternehmenskultur, um angesichts von Fachkräftemangel und demografischem Wandel am Arbeitsmarkt zu bestehen. In Zeiten gesellschaftlicher Polarisierung werden genau diese Werte zum Gegenstand des rechtspopulistischen Kulturkampfs – und damit Unternehmen zu einer von vielen Kampfarenen. Das zwingt diese dazu, Stellung zu beziehen. Einige US-Konzerne wie Meta, Amazon oder Boeing streichen in vorauseilendem Gehorsam ihre Diversitätsprogramme schon vor dem Amtsantritt Trumps zusammen. Dabei ist gerade jetzt Wehrhaftigkeit und demonstrative Sanktionsbereitschaft im Umgang mit Ausgrenzung und Diskriminierung gefragt. Dazu braucht es eine offensive Haltung und Kommunikation: vom Management, von Führungskräften und in den internen Medien.
Von Dirk Barghop
„Wir legen Wert auf Vielfalt.“ So oder so ähnlich steht es in etlichen Code of Conducts, die vor allem in den 2010er Jahren als Bekenntnis zu den ethischen Regeln einer guten Unternehmensführung niedergeschrieben wurden. Inzwischen ist daraus eine ganz irdische Frage mit Blick auf das Überleben des Unternehmens erwachsen. Ohne die glaubwürdige Darstellung und Erlebbarkeit von Diversität gerät jedes Unternehmen auf der Suche nach der raren Ressource Mitarbeitende unweigerlich ins Hintertreffen.
Ganz anders klingt ein Entschließungsantrag der AfD aus dem Brandenburger Landtag vom August 2024. „Vielfalt ist keine Stärke“, heißt es im ersten Satz. Im Weiteren leitet die in Brandenburg als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestufte Partei daraus verschiedenste Forderungen ab. Darunter auch die, solchen Vereinen die Gemeinnützigkeit – und damit Fördermittel – abzuerkennen, die sich in ihrer Satzung auf die Stärkung von Vielfalt beziehen.
Das unpolitische Unternehmen gibt es nicht mehr
Das Beispiel verdeutlicht schlaglichtartig, wie sehr Vielfalt ein hoch politisiertes Thema im Kulturkampf ist und vom Rechtspopulismus grundsätzlich in Frage gestellt wird. Das leistet Ausgrenzung und Rassismus weiteren Vorschub. Dem können Unternehmen allein aus purem geschäftlichem Eigeninteresse nicht ausweichen. Die Teilnahme einiger – vor allem großer – Unternehmen und Konzerne an Kampagnen gegen Rechtsextremismus wie „Wir stehen für Werte“ ist sicherlich ein wichtiges Zeichen. Trotzdem ist bei vielen Unternehmen eine gewisse Zurückhaltung zu beobachten. Sie ziehen sich auf den Standpunkt zurück, dass sich Unternehmen auf das Geschäft konzentrieren und die Politik der Politik überlassen sollen. Diese Einstellung entspricht aber nicht mehr der Realität.
Angesichts politischer und gesellschaftlicher Polarisierung wird auch das unternehmerische Handeln von außen unweigerlich politisiert – ob Management und Führungskräfte das wollen oder nicht. Das war schon in geopolitischen Zusammenhängen zu beobachten und gilt auch bei Fragen der Unternehmenskultur und Unternehmensführung. Nur auf die Ethikgrundsätze im Code of Conduct zu verweisen und Diversität in bunten Kampagnen zu predigen, reicht nicht mehr. Es braucht eine wehrhafte Haltung des Unternehmens, die Vielfalt erlebbar fördert sowie Diskriminierung, Ausgrenzung und Hass auch nach innen offensiv entgegentritt.
„Wehrhafte Vielfalt“ stärken und vermitteln
Dafür ist ein enger Schulterschluss zwischen Interner Kommunikation, HR und Compliance notwendig. Der Internen Kommunikation obliegt es, die Deutungshoheit im Kampf gegen rechte Narrative sicherzustellen und eine „wehrhafte Vielfalt“ überall im Unternehmen offensiv zu vermitteln und erlebbar zu machen. Folgende Punkte sind dafür besonders wichtig:
1. Immer wieder die Geschäftsrelevanz von Vielfalt herausstellen
Die Begründung von Vielfalt und den damit verbundenen Werten wird oft auf eine moralische Dimension reduziert, die auf das individuelle Verhalten abzielt. Das greift zu kurz und blendet die Bedeutung von Diversität für das Unternehmen aus. Gerade sie muss immer wieder betont und erklärt werden. Hier ist in erster Linie die Unternehmensleitung gefordert, Vielfalt als Voraussetzung für Zukunftsgestaltung, Wachstum, sichere Arbeitsplätze und gutes Fortkommen herauszustellen.
2. Verhaltensgrundsätze und Werte-Set mit Blick auf Sanktionsfähigkeit nachschärfen
Code of Conducts beschreiben Vielfalt und entsprechende Werte meistens als ethische Allgemeinplätze im Sinne eines „Wir haben uns doch alle lieb“. Das wirkt in einer polarisierten Welt unverbindlich und „zahnlos“. Unternehmen sollten in ihren Regelwerken nicht nur bekennen, wofür sie sind, sondern auch klar und deutlich markieren, wogegen sie Position beziehen und was sie bei sich nicht dulden. Das braucht ergänzende Sprachangebote in Form von prägnant formulierten Ge- bzw. Verboten, die die Sanktionsbereitschaft und -fähigkeit des Unternehmens im Umgang mit Ausgrenzung und Diskriminierung unmissverständlich verdeutlichen.
3. Führungskräfte als wichtige Förderer – und Verteidiger – von Vielfalt unterstützen
Wie bei allen haltungsorientierten Prozessen gilt auch hier: Führungskräfte sind als disziplinarische Vorgesetzte ein Schlüssel zum Erfolg. Sie setzen in ihren Teams die Standards. An ihrem Verhalten richten sich Mitarbeitende aus. Sie wertschätzen und ahnden. Vielfalt und Ausgrenzung sind sensible und anspruchsvolle Themen, bei denen Führungskräfte Unterstützung brauchen. Sie müssen Brücken schlagen, durchgreifen, Konsequenz an den Tag legen. Neben entsprechenden Schulungen und Trainings brauchen sie dafür die richtigen Argumentarien.
4. Raum für Austausch und Lernen geben
Nicht zuletzt sollte im Unternehmen eine interne Öffentlichkeit für Austausch, Auseinandersetzung und Lernen hergestellt werden. Dies gilt gerade in einem kollaborativen Arbeitsumfeld. Nur so lässt sich ein breites gemeinsames Verständnis für die Dringlichkeit des Themas und ein entsprechendes Problembewusstsein herstellen. Das besitzt auch einen hohen Symbolwert. Denn es demonstriert das ernsthafte Engagement des Unternehmens, Vielfalt zu stärken und Ausgrenzung entschlossen entgegenzuwirken.
Die Förderung und Vermittlung einer „wehrhaften Vielfalt“ im Unternehmen stärkt nicht nur das Employer Branding. Sie ist auch elementare Voraussetzung für das Erreichen handfester Geschäftsziele. Gleichzeitig leistet das Unternehmen damit einen wichtigen zivilgesellschaftlichen Beitrag zur Stabilisierung von Demokratie und Freiheit. Die Unterwerfung unter das rechtspopulistische Narrativ ist keine Alternative.