TQ 01_2025

Vielfalt, Offenheit, Respekt – diese Werte sind Standard in Ethik­grund­sätzen von Unternehmen. Auf ihnen bauen ganze Compliance- und Corporate-Governance-Systeme auf. Für das Employer Branding ist Diversität unver­zicht­barer Kern einer attraktiven Unternehmens­kultur, um angesichts von Fach­kräfte­mangel und demogra­fischem Wandel am Arbeits­markt zu bestehen. In Zeiten gesell­schaft­licher Polarisierung werden genau diese Werte zum Gegen­stand des rechts­popu­listischen Kultur­kampfs – und damit Unter­nehmen zu einer von vielen Kampf­arenen. Das zwingt diese dazu, Stellung zu beziehen. Einige US-Konzerne wie Meta, Amazon oder Boeing streichen in voraus­eilendem Gehor­sam ihre Diversitäts­programme schon vor dem Amts­antritt Trumps zusammen. Dabei ist gerade jetzt Wehr­haftig­keit und demonstrative Sanktions­bereit­schaft im Umgang mit Aus­grenzung und Diskrimi­nierung gefragt. Dazu braucht es eine offensive Haltung und Kommuni­kation: vom Manage­ment, von Führungs­kräften und in den internen Medien.

Von Dirk Barghop

„Wir legen Wert auf Vielfalt.“ So oder so ähnlich steht es in etlichen Code of Conducts, die vor allem in den 2010er Jahren als Bekenntnis zu den ethischen Regeln einer guten Unter­nehmens­führung nieder­geschrieben wurden. Inzwischen ist daraus eine ganz irdische Frage mit Blick auf das Überleben des Unter­nehmens erwachsen. Ohne die glaub­würdige Darstellung und Erleb­bar­keit von Diversität gerät jedes Unter­nehmen auf der Suche nach der raren Ressource Mit­arbeitende unweigerlich ins Hinter­treffen.

Ganz anders klingt ein Ent­schließungs­antrag der AfD aus dem Branden­burger Land­tag vom August 2024. „Vielfalt ist keine Stärke“, heißt es im ersten Satz. Im Weiteren leitet die in Branden­burg als rechts­extr­emistischer Verdachts­fall eingestufte Partei daraus ver­schiedenste Forderungen ab. Darunter auch die, solchen Vereinen die Gemein­nützig­keit – und damit Förder­mittel – abzu­erkennen, die sich in ihrer Satzung auf die Stärkung von Viel­falt beziehen.

Das unpolitische Unter­nehmen gibt es nicht mehr

Das Beispiel verdeutlicht schlag­licht­artig, wie sehr Viel­falt ein hoch politisiertes Thema im Kultur­kampf ist und vom Rechts­popu­lismus grund­sätzlich in Frage gestellt wird. Das leistet Aus­grenzung und Rassismus weiteren Vorschub. Dem können Unter­nehmen allein aus purem geschäft­lichem Eigen­interesse nicht aus­weichen. Die Teilnahme einiger – vor allem großer – Unter­nehmen und Konzerne an Kampagnen gegen Rechts­extremismus wie „Wir stehen für Werte“ ist sicherlich ein wichtiges Zeichen. Trotzdem ist bei vielen Unter­nehmen eine gewisse Zurück­haltung zu beobachten. Sie ziehen sich auf den Stand­punkt zurück, dass sich Unter­nehmen auf das Geschäft konzentrieren und die Politik der Politik überlassen sollen. Diese Einstellung entspricht aber nicht mehr der Realität.

Angesichts politischer und gesell­schaftlicher Polari­sierung wird auch das unter­nehmerische Handeln von außen unweiger­lich politisiert – ob Manage­ment und Führungs­kräfte das wollen oder nicht. Das war schon in geo­politischen Zusammen­hängen zu beobachten und gilt auch bei Fragen der Unternehmens­kultur und Unternehmens­führung. Nur auf die Ethik­grundsätze im Code of Conduct zu verweisen und Diversität in bunten Kampagnen zu predigen, reicht nicht mehr. Es braucht eine wehr­hafte Haltung des Unter­nehmens, die Vielfalt erleb­bar fördert sowie Diskriminierung, Ausgrenzung und Hass auch nach innen offensiv entgegen­tritt.

„Wehrhafte Vielfalt“ stärken und vermitteln

Dafür ist ein enger Schulter­schluss zwischen Interner Kommunikation, HR und Compliance notwendig. Der Internen Kommunikation obliegt es, die Deutungs­hoheit im Kampf gegen rechte Narrative sicher­zu­stellen und eine „wehrhafte Vielfalt“ überall im Unter­nehmen offensiv zu vermitteln und erleb­bar zu machen. Folgende Punkte sind dafür besonders wichtig:

1. Immer wieder die Geschäfts­relevanz von Vielfalt heraus­stellen

Die Begründung von Viel­falt und den damit verbundenen Werten wird oft auf eine moralische Dimension reduziert, die auf das individuelle Ver­halten ab­zielt. Das greift zu kurz und blendet die Bedeutung von Diversität für das Unter­nehmen aus. Gerade sie muss immer wieder betont und erklärt werden. Hier ist in erster Linie die Unter­nehmens­leitung gefordert, Viel­falt als Voraus­setzung für Zukunfts­gestaltung, Wachs­tum, sichere Arbeits­plätze und gutes Fort­kommen heraus­zustellen.

2. Verhaltens­grundsätze und Werte-Set mit Blick auf Sanktions­fähigkeit nach­schärfen

Code of Conducts beschreiben Vielfalt und ent­sprechende Werte meistens als ethische Allgemein­plätze im Sinne eines „Wir haben uns doch alle lieb“. Das wirkt in einer polari­sierten Welt unver­bind­lich und „zahn­los“. Unternehmen sollten in ihren Regel­werken nicht nur bekennen, wofür sie sind, sondern auch klar und deutlich markieren, wogegen sie Position beziehen und was sie bei sich nicht dulden. Das braucht ergänzende Sprach­angebote in Form von prägnant formu­lierten Ge- bzw. Verboten, die die Sanktions­bereit­schaft und -fähigkeit des Unter­nehmens im Umgang mit Ausgrenzung und Diskriminierung un­miss­verständlich verdeut­lichen.

3. Führungskräfte als wichtige Förderer – und Verteidiger – von Vielfalt unter­stützen

Wie bei allen haltungs­orientierten Prozessen gilt auch hier: Führungs­kräfte sind als disziplinarische Vorgesetzte ein Schlüssel zum Erfolg. Sie setzen in ihren Teams die Standards. An ihrem Verhalten richten sich Mit­arbeitende aus. Sie wert­schätzen und ahnden. Viel­falt und Aus­grenzung sind sensible und anspruchs­volle Themen, bei denen Führungs­kräfte Unter­stützung brauchen. Sie müssen Brücken schlagen, durch­greifen, Konsequenz an den Tag legen. Neben entsprechenden Schulungen und Trainings brauchen sie dafür die richtigen Argumentarien.

4. Raum für Austausch und Lernen geben

Nicht zuletzt sollte im Unter­nehmen eine interne Öffentlich­keit für Austausch, Auseinander­setzung und Lernen hergestellt werden. Dies gilt gerade in einem kollabo­ra­tiven Arbeits­umfeld. Nur so lässt sich ein breites gemein­sames Ver­ständnis für die Dringlich­keit des Themas und ein entsprechendes Problem­bewusstsein her­stellen. Das besitzt auch einen hohen Symbol­wert. Denn es demonstriert das ernst­hafte Engage­ment des Unter­nehmens, Viel­falt zu stärken und Ausgrenzung entschlossen entgegen­zuwirken.

Die Förderung und Vermittlung einer „wehrhaften Vielfalt“ im Unter­nehmen stärkt nicht nur das Employer Branding. Sie ist auch elemen­tare Voraus­setzung für das Erreichen hand­fester Geschäfts­ziele. Gleichzeitig leistet das Unter­nehmen damit einen wichtigen zivil­gesell­schaftlichen Beitrag zur Stabilisierung von Demokratie und Freiheit. Die Unter­werfung unter das rechts­populistische Narrativ ist keine Alter­native.

Kontakt