Restrukturierung

Warum Krisen­bewältigung und Strategie­kommunikation Hand in Hand gehen müssen

Wenn ein Boot im Sturm auf ein Riff zutreibt, zählt rasches Handeln. Es gilt, möglichst schnell aus der Gefahren­zone zu kommen, alles andere ist sekundär. Nach diesem Muster agieren auch viele Unter­nehmen, die von der aktuellen Krise in ihrer Existenz bedroht werden: Sie setzen alles daran, schnellst­möglich Kosten zu senken und die Liquidität zu sichern. Klar – wenn kein Wasser mehr unterm Kiel ist, braucht man sich um den weiteren Kurs des Bootes auch keine Gedanken mehr zu machen. Aber wenn ein Unter­nehmen in der Restruktu­rierung sich nur auf die unmittel­bare Gegen­wart konzentriert, ist lang­fristig nichts gewonnen. Denn den wenigsten Unter­nehmen steht eine ruhige Fahrt bevor, wenn der aktuelle Sturm überstanden ist.

Die Corona-Krise erhöht den Druck in Trans­formations­prozessen, die schon vor Beginn der Pandemie begonnen haben und die auch über die Krise hinaus andauern werden. Beispiel Automobil­branche: Hier hat die Absatz­krise der ersten Corona-Monate Umsätze im laufenden Geschäft wegbrechen lassen, die dringend benötigt werden, um den Wandel zur digital ver­netzten, elektrischen Mobilität zu bewäl­tigen. Die dafür nötigen Investi­tionen zu stemmen, war schon ohne Corona eine gewaltige Anstrengung – nicht umsonst haben nahezu alle Hersteller und Zulieferer vor Corona harte Spar­programme gefahren. Je weniger lang die Erträge aus dem traditio­nellen Geschäft reichen, desto schneller muss dieser epochale Umbruch gemeistert werden. Ähnlich trifft es die Finanz­branche: Den Banken, mitten in der digitalen Trans­formation, brechen in der Krise die Erträge weg. Dem allein mit kurz­fristigem Cost-Cutting zu begegnen, wäre fatal. Zurecht denken Institute deshalb jetzt verstärkt über ihre zukünftige Rolle nach und verringern zum Teil ihre Wert­schöpfungs­tiefe, um digitale Dienst­leistungen gemeinsam mit Fintechs zu erbringen.

Die Beispiele illustrieren, wie wichtig es ist, neben der unmittelbaren Liquiditäts­sicherung jetzt zukunfts­fähige Geschäfts­modelle zu realisieren, die eigene Angebots­palette zu optimieren und Kooperations­möglich­keiten zu nutzen. Ein strate­gischer Faktor ist auch die Sicherung von Liefer­ketten. Wie wichtig hier auch angesichts akuten Kosten­drucks der Blick nach vorn ist, war in den letzten Wochen zu beob­achten: Nachdem die großen Auto­hersteller die vereinbarten Abnahme­mengen bei Mikrochips mit Ausbruch der Krise radikal nach unten geschraubt hatten, standen bei vielen Herstellern die Bänder still, weil Zulieferer die Chip-Kontingente an die in Zeiten von Social Distancing boomenden Hersteller von Kommuni­kations­elektronik umleiteten. Zusammen­fassend und mit Blick auf nahezu alle Branchen gilt: Sich jetzt am vermeint­lich sicheren traditio­nellen Geschäft festzu­klammern, wäre verhängnis­voll. Eine strategische Neu­ausrichtung ist uner­lässlich – und muss extern wie intern gut erklärt werden, um zu funktionieren. 

Fünf Punkte, auf die es jetzt in der Kommunikation ankommt

Erwartungen ausbalancieren: Während Gläubiger und Banken in diesen Tagen vor allem Gewiss­heit wollen, dass ihre aktuellen Forderungen bedient werden, brauchen Kunden die Gewiss­heit, dass das Unter­nehmen langfristig am Markt ist – andernfalls kann deren Kauf­zurück­haltung den Ernst der aktuellen Lage verschärfen. Die Mitarbeiter müssen den Druck der gegen­wärtigen Lage verstehen, zugleich aber auch wissen, dass sich ihre Anstrengung lang­fristig lohnt. Lieferanten und Partner müssen bei der Stange gehalten werden, auch wenn man aktuell über verlängerte Zahlungs­ziele oder geringere Abnahme­mengen verhandelt. Kommunikation muss den aktuellen Kampf gegen die Krise themati­sieren, damit sie glaub­würdig ist. Gleichzeitig muss sie vermitteln, wo die Reise hingeht – damit externe Stake­holder Vertrauen in das Unternehmen haben und intern die nötigen Kräfte mobilisiert werden können, um das Ruder angesichts der akuten Liquiditäts­krise herumzu­reißen.

Größeren Erklärungsbedarf bedienen: Die Krise verschärft Unsicher­heit und Zukunfts­ängste. Diesen Ängsten entgegen­zuwirken, ist eine wichtige Kommunikations­aufgabe. Nachdem die Aussicht auf ein gelobtes Land in der her­gebrachten „Schneller, höher, weiter“-Logik nicht mehr greift, braucht es ein neues, klug formuliertes Narrativ, um zu erklären, dass nur Beweglich­keit in unsicheren Zeiten Stabilität ver­spricht. Dieses Narrativ hilft auch, die Gleich­zeitig­keit von Einschnitten und Investitionen in Zukunfts­projekte gut zu erklären. Wichtig ist es, diese Erklärungen in eine persönliche und regel­mäßige Kommunikation zu über­setzen. Je agiler der Kurs des Unter­nehmens, umso eng­maschiger muss die Kommunikation sein, damit sie Sicherheit vermitteln kann. Hier gilt es, den durch die Krise getriebenen Trend zu digitalen Formen des Austauschs zu nutzen, die eine direktere dialogische Kommunikation über Hierarchie­ebenen hinweg erleichtern.

Auch Unklarheiten offen thematisieren: So plötzlich die Pandemie über die Wirt­schaft und die Gesell­schaft hereinbrach, so schnell und kurz­fristig muss die Überlebens­fähigkeit gesichert werden. Wenig glaubwürdig ist es da, alle Patent­rezepte für eine „rosige Zukunft“ schon im Gepäck zu haben. Es kommt darauf an, Unsicher­heiten mit Blick auf die Zukunft auszu­halten, eine ruhige Analyse und Strategie­entwicklung zuzu­lassen. Und gleichzeitig ist auch die aktuelle Situation der Pandemie von viel­fachen Unsicher­heiten geprägt. Das stellt vor allem die Unternehmens­leitung und Führungs­kräfte vor die große Heraus­forderung, zukunfts­gerichtet zu kommunizieren, ohne Antworten auf alle Fragen zu haben oder die neue Rolle des Unter­nehmens als Ganzem und die der einzelnen Mitarbeiter:innen schon bis ins Detail ausbuch­stabieren zu können.

Kontinuierlich Orientierung geben: Gerade weil der Veränderungs- und Effizienz­druck in vielen Unternehmen schon lange anhält und die Mitarbeiter:innen zermürbt, ist es wichtig, Veränderungs­schritte Stück für Stück zu erklären und auf dem Prozess insgesamt zu verorten. Erst recht, weil Unternehmen gleich­zeitig in Zukunfts­themen investieren müssen, während im Bestands­geschäft der Spar­druck steigt. Um die Akzeptanz für solche Investitionen zu sichern, müssen Unternehmen permanent erklären, wie Erträge und Ein­sparungen auf der einen Seite mit Investitionen auf der andere zusammen­passen.

Wie immer gilt: Aktiv kommunizieren! So unter­schiedlich die Erwartungen der einzelnen Stake­holder auch sein mögen, am Schluss zählen der Erfolg der Restrukturierung und die Glaub­würdigkeit der neuen Strategie. Es braucht eine intensive Kommunikation nach innen und außen, um den wirt­schaft­lichen Impact der Pandemie zu erläutern, aber auch Erholungs­tendenzen in einzelnen Märkten darzustellen. Und um klarzumachen, dass die finanzielle Stabilität zentral ist, aber dies Zukunfts­strategien nicht ausschließt. Dabei können die Botschaften nach innen und außen durchaus anders konnotiert werden – der Kern bleibt aber stets gleich.

Die langfristige Strategie in der akuten Krise mitzudenken und zu kommunizieren, kostet zusätzliche Kraft. Aber es ist unerlässlich, diese Anstrengung auf sich zu nehmen und in der aktuellen Krise zu vermitteln, wohin die Reise gehen wird. Denn wenn die genannten Punkte berück­sichtigt werden, können Unternehmen nicht nur die unmittel­bare Gefahr abwehren, sie können die Energie des Sturms nutzen, um gestärkt aus der Krise hervor­zugehen und künftig beweglich genug zu sein, gefähr­liche Gewässer zu um­schiffen.

Foto: iStock.com/Chilly009

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