Restrukturierung

Von Julika Benz und Stephanie Verena Prager

In den Hochzeiten der Pandemie wurde eine Welle von Restruktu­rie­rungen erwartet. Sie blieb damals aus. Das mag zum einen daran liegen, dass die Insolvenz­antrags­pflicht einige Zeit ausgesetzt war und viele Unter­nehmen Staats­hilfe erhielten. Aber auch daran, dass von den Erfolgen vor Corona gezehrt worden ist oder das Geschäfts­modell auch ohne tief­greifenden Restruktu­rierungs­prozess resi­lienter war als erwartet.

Nach der Corona­krise kämpfen Unter­nehmen nun mit einer Poly­krise: Der andauernde Krieg in der Ukraine, die Energie­krise, die geo­poli­tischen Spannungen zwischen den USA und China und der eskalierte Nah­ost­konflikt. Gepaart mit Inflation und Zins­wende stellen diese sich zum Teil gegen­seitig ver­stärkenden Krisen Unter­nehmen und ihre Mit­arbeitenden vor große Heraus­forderungen.

Restruk­turierungen sind in vielen Branchen die Antwort auf die aktuelle Groß­wetter­lage. Anhand aktueller Restruk­turie­rungs­fälle von Unter­nehmen wie der Signa Group, ASM Osram, Union Investment oder Diebels wird deutlich: Keine Branche kann sich ent­spannt zurück­lehnen.

Restrukturierungen als komplexe Kommunika­tions­aufgabe

Kommunikativ ist eine Restruk­turierung immer eine Mammut­aufgabe. Die Vielzahl der internen und externen Stake­holder mit spezifischen Forderungen und Bedürf­nissen, der enge recht­liche Rahmen und der häufig hohe Grad an Emotiona­lität ergeben eine komplexe Gemenge­lage mit vielen zu berück­sichti­genden Faktoren.

Der Erfolg einer Restruktu­rierung hängt zu einem großen Teil von den internen Stake­holdern ab, also Mit­arbeitenden und Führungs­kräften. Ziel jeder Restruk­turierung ist es, das Unter­nehmen (wieder) wirt­schaft­lich erfolg­reich zu machen. Sei es präventiv, um die Aus­wirkungen von künf­tigen nega­tiven Ent­wick­lungen zu antizi­pieren, oder als Ant­wort auf eine bereits eingetre­tene Krise. Aber gerade wenn die Restruk­turierung mit dem Abbau von Arbeits­plätzen einhergeht, bedrohen die entstehende Unsicherheit in der Beleg­schaft und das empfundene Vakuum zwischen dem Ist- und dem ange­strebten Soll-Zustand der Organi­sation massiv ihren Erfolg.

Interne Stakeholder im Fokus

Es braucht deshalb Mit­arbeitende, die Restruk­turie­rungs­maßnahmen mittragen sowie das Unter­nehmen „am Laufen“ halten. Und es braucht Talente, die die rosige Zukunfts­vision nach erfolgter Restruk­turierung Realität werden lassen. Aber wie soll das gelingen, wenn Führungs­kräfte und Mit­arbeitende sich inner­lich abwenden und im schlimmsten Fall sogar un­gewollt kündigen? Studien zeigen, dass ein Personal­abbau von nur 1 % bereits zu einem Anstieg der freiwilligen Fluktuation um 30 % im Folge­jahr führt. Dieses in einem Arbeit­nehmer­markt nicht seltene Szenario kann verheerend sein und nicht zuletzt auch nach erfolgter Restruk­turierung für ein Scheitern vieler Unter­nehmen sorgen.

Kommunikation hilft

In der den Restruk­turierungs­prozess begleitenden internen Kommuni­kation liegt der Fokus ver­stärkt auf den betroffenen Mit­arbeitenden – also denen, deren Arbeits­platz gestrichen werden soll. Dabei wird oftmals unter­schätzt, wie stark die Restruk­turierungs­maßnahmen auch auf die Mit­arbeitenden wirken, die nicht un­mittel­bar betroffen sind. Die Gründe, die das Commit­ment zum Arbeit­geber schmälern, sind viel­fältig:

  • Unsicherheit: Es stellt sich die Frage, ob man selbst und der eigene Job betroffen ist.
  • Survivor-Syndrom: Wenn andere Kolleg:innen gehen müssen, führt dies zu einem schlechten Gewissen und dem Gefühl, man selbst habe den Arbeits­platz nicht verdient.
  • Zweifel am Unter­nehmen: Die Zukunfts­fähig­keit und Attrakti­vität des Arbeit­gebers werden infrage gestellt.

Hinzu kommt bei Führungs­kräften häufig:

  • Überforderung: Neben Tages­geschäft und Projekt­arbeit für die Restruk­turierung führt die emotionale Be­lastung im Zuge der Begleitung des Personal­abbaus oft zu extremem Druck.

Die Kommuni­kation muss die Frage beant­worten, welche Gründe Talente haben sollten, (motiviert) in einem Unter­nehmen zu bleiben, das bereits in Schief­lage geraten ist oder kurz davor steht. Drei Aspekte müssen dabei unbedingt berück­sich­tigt werden:

Eine attraktive Zukunfts­vision anbieten

Gerade aufgrund der klar de­finierten KPIs, die die Formel „Kosten runter – Leistung rauf“ in Maß­nahmen über­setzen, wird die Restruk­turierungs­kommunikation schnell techno­kratisch und fokussiert sich auf die Problem­beschreibung. Die Fragen lauten aber vielmehr „Was kommt danach?“, „Was hat das ,Danach‘ für Mitarbeitende zu bieten?“ und „Wo liegen langfristige Vorteile?“ Ein Buzzword-Bingo sollte dabei tun­lichst ver­mieden werden, denn „Flexi­bili­tät“, „Wett­bewerbs­fähigkeit“ und ähnliche aus­tausch­bare Floskeln machen miss­trauisch. Vielmehr sind konkrete Vorteile gefragt: Off­shoring bringt vielleicht inter­nationale Karriere­perspektiven; Re­organi­sation hilft, Silos zu über­winden; einher­gehende Digitali­sierung bringt Effizienz und Arbeits­erleich­terungen etc.

Die „Lähmschicht“ durch­dringen

Hat das Unter­nehmen ein glaub­würdiges, weil konkretes und floskel­freies Zukunfts­bild formuliert, geht es darum, die Führungs­kräfte aller Ebenen indivi­duell zu befähigen. Indivi­duell meint hier: auf keinen Fall auf die Selbst­organisation der Kaskade verlassen. Ist die erste Führungs­ebene oftmals noch am Puls des strate­gischen Manövers und schnell sprech­fähig, wird es auf den darunter­liegenden Ebenen bereits dünn. Das Ergebnis ist die berühmte „Lähm­schicht“, das mittlere und untere Manage­ment, das nicht genug Informa­tionen erhält und so Veränderungs­prozesse verlangsamt oder zum Scheitern bringt. Aber genau auf diese „Front­linien“-Führungs­kräfte kommt es besonders an. Sie sind der erste Kontakt bei Fragen, Sorgen und Ängsten. Sie wissen, wie der Laden läuft und kennen „die Leichen im Keller“. Kommunikations- und Befähigungs­maß­nahmen sollten pass­genau auf diese Führungs­ebene ausge­richtet sein. Dazu gehören ein Infor­mations­vorsprung und eine inhalt­liche und emotionale Vor­be­reitung auf Gespräche und Fragen. Ins­besondere die Sensi­bili­sierung für die Gefahr einer Abwanderung von Talenten sollte unbe­dingt er­folgen. Wenn Führungs­kräfte sicht­bar und zugäng­lich sind, dann können sie auch glaub­würdig für die Zukunft des Unter­nehmens stehen und Sorgen und Wünsche adressieren. Diese Befähigung kostet Zeit und Geld. Ein Grund mehr, ent­sprechende Maß­nahmen nicht erst bei der Implemen­tierung der Ziel­struktur anzu­denken.

Das Gefühl des Ausgeliefert­seins über­winden helfen

Die Mit­arbeitenden, die bleiben, müssen die Arbeit weiter­machen – mit kleineren Teams und oft mit reduzierten Mitteln. Selten werden Versuche erfolg­reich sein, not­wendige Organi­sations- und Prozess­anpassungen rein Top-down durch­zusetzen. Viel lohnender ist es, Mit­arbeitenden die Möglich­keit zu geben, sich an der Gestaltung neuer Ab­läufe und Struk­turen aktiv zu betei­ligen. Auf diese Weise kann dem Gefühl, der Restruk­turierung hilf­los aus­geliefert zu sein, etwas entgegen­gesetzt werden. Die Kommunikation muss in diesem Fall dazu anregen, sich mit den Fragen, die die Restruk­turierung aufwirft, auseinander­zusetzen. Und sie muss Formate anbieten, die der inhalt­lichen Aus­einander­setzung damit einen Rahmen geben. Der Umfang der Beteiligung ist konkret abzu­wägen und kann zum Beispiel schon durch die Beteiligung von Repräsen­tanten aus der Beleg­schaft in der Analyse­phase, bei der Maß­nahmen­umsetzung oder beim Design des Target Operating Models erreicht werden.

Die Berück­sichtigung von Ängsten und Bedürf­nissen der Mit­arbeitenden, die die Restruk­turierung mit­tragen und erfolg­reich machen sollen, ist eine essenzielle Aufgabe der internen Restruk­turierungs­kommunikation. Regel­mäßige interne Fortschritts­kommunikation sowie das Aufzeigen persön­licher Perspektiven und Möglich­keiten zur aktiven Gestaltung und Parti­zi­pation sind ent­scheidend, um Talente (motiviert) zu halten. Eine Vernach­lässigung dieser Perspektive rächt sich, wenn die Entbehrungen und Mühen der Restruk­turierung längst über­wunden zu sein scheinen.

Der Beitrag erschien im November 2023 in Restructuring Business, Ausgabe 04_2023, hier können Sie den Originalartikel herunterladen.

Foto: www.gettyimages.de

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