TQ Restrukturierung

Von Serkan Agci

Rezessionen sind für den Wirtschafts­standort Deutsch­land nichts Neues. Auf die Finanz­krise im Jahr 2009 folgte eine Dekade des stetigen Wachs­tums, die mit der Corona-Pandemie endete. Mit der Bewältigung der gegen­wärtigen Krise jedoch tut sich das Land so schwer wie selten. Haupt­grund hierfür: Die Schwächen des Stand­orts können nicht länger ignoriert werden. Um auch künftig wett­bewerbs­fähig zu bleiben, ist neben einer Verbesserung der standort­politischen Bedingungen auch eine stärkere Kommunikation zwischen Unter­nehmen und Politik not­wendig.

Letztlich gilt für Unter­nehmen unverändert: In einem Land, in dem die Wirt­schaft so eng mit sozialen Werten verflochten ist und der gesell­schaft­liche Konsens einen so hohen Stellen­wert genießt wie in wenigen Ländern der Welt, sind gegenüber Beleg­schaft, Öffent­lich­keit, aber auch politischen Stake­holdern Geschick und Sensi­bilität gefordert.

Die Kommunikation von Unter­nehmen ist daher nicht einfach Nachrichten­übermittlung: Jedes Wort, jede Geste, ja selbst das Schweigen wird von Beschäftigten, Gewerk­schaften, Öffent­lich­keit und von politischen Stake­holdern interpretiert und kann weit­reichende Folgen haben.

Das Beispiel Michelin im Saarland

Das Werk des Reifen­herstellers Michelin in Homburg, einst ein florierender Knoten­punkt der industriellen Produktion im Saarland, steht exempla­risch dafür, welche Wirkung eine die öffent­lichen Belange vernach­lässigende Kommunika­tion haben kann. Als Michelin im November 2023 aus scheinbar heiterem Himmel ankündigte, das Werk zu restrukturieren und die Hälfte der 1600 Arbeits­plätzen abzubauen, entstand ein Szenario, das mehr als nur ökono­mische Dimensionen berührte. Es ging um Menschen, um einen Stand­ort, um die Zukunft einer ganzen Region. Die Ankündigung traf nicht nur die betroffenen Mitarbeiter:innen unvor­bereitet, sondern auch viele poli­tischen Entscheidungs­träger:innen.

Den Stellen­abbau begründete das Unternehmen vor allem mit veränderten Markt­bedingungen: Neben dem verstärkten Import von Billig­reifen wurden als weitere Gründe für die Restruktu­rierung die hohe Inflation und die steigenden Produktions­kosten in Deutsch­land genannt.

Diese Argumentation ist nach­voll­ziehbar, sie reicht jedoch nicht aus. Die Schwierig­keiten, mit denen Michelin zu kämpfen hatte, waren ja nicht von heute auf morgen entstanden, sondern unter anderem auch die Folge von veränderten globalen Märkten, etwa dem Vordringen asiatischer Unter­nehmen, die dank staatlicher Unter­stützung zu deutlich günstigeren Bedingungen ihre Produkte anbieten können.

Der Schmetterlings­effekt fehl­geleiteter Kommunikation

Aus unserer langjährigen Erfahrung in der Beratung von Unter­nehmen bei der Vorbereitung und Umsetzung von Restrukturie­rungen halten wir es für essenziell, den Dialog mit Stake­holdern als strategisches Instrument früh­zeitig aufzunehmen. Dies bedeutet im Fall von politischen Entscheidungs­träger:innen nicht nur zu informieren, sondern sie als Partner:innen zu betrachten. Ein proaktiver, trans­parenter Austausch kann helfen, gemeinsame Lösungen zu finden. Er schafft Vertrauen und Verläss­lich­keit. Beides ist hilf­reich, wenn es darum geht, in Krisen­zeiten schnell zu reagieren.

Auch das wissen wir aus unserer Tätig­keit insbesondere in Berlin: Die Politik hat ein Eigen­interesse an einem kontinuier­lichen Austausch mit der Wirt­schaft. Denn in der globali­sierten Welt von heute gleicht eine fehl­geleitete Kommunikation dem Flügel­schlag eines Schmetterlings, der einen Sturm auslösen kann. Falsche Botschaften oder unklare Absichten können Miss­trauen säen und eine ganze Region in Auf­ruhr versetzen. Dies mindert die Attraktivität des Stand­orts Deutsch­land für inter­nationale Investoren – aber auch für heimische Akteure, die vermehrt über eine Ver­lagerung ihrer Produktion ins Aus­land nachdenken.

Gradmesser für die Attraktivität Deutsch­lands

Auch die Politik weiß: In einer globali­sierten Wirt­schaft, in der Entscheidungen eines einzelnen Unter­nehmens inter­nationale Beachtung finden können, wird die Art und Weise, wie man mit Restrukturie­rungen umgeht, zum Grad­messer für die Attrakti­vität Deutschlands. Gerade jetzt in der Krise ist die Kommuni­kation zwischen Unter­nehmen und Politik ein entscheidender Faktor. Sie erfordert ein hohes Maß an Fein­gefühl, eine starke Ver­netzung, Verantwortungs­bewusstsein und strategisches Denken.

Wir als DAA sind seit vielen Jahren mit unserem Büro in Berlin ein erfolg­reicher Brücken­bauer zwischen Unter­nehmen und politischen Entscheidungs­träger:innen. Wir führen beide Seiten zusammen, etwa in unseren Formaten „Berliner Dialog“ und „Junger Berliner Dialog", wir vermitteln Kontakte und unter­stützen dabei, das gegen­seitige Verständnis für den jeweils anderen zu fördern. In einer Welt, in der die Grenzen zwischen lokalen Handlungen und globalen Aus­wirkungen verschwimmen, macht das den Unter­schied zwischen Erfolg und Miss­erfolg aus.

Foto: iStock.com/bfk92

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