Transformation Quarterly: Civey-Umfrage

Die winterlichen Temperaturen sind da – und mit ihnen der steigende Energie­verbrauch. Seit dem Angriffs­krieg Russ­lands auf die Ukraine im Februar dieses Jahres schießen die Energie­preise in die Höhe. Durch immer weniger Gas­lieferungen aus Russ­land und trotz vieler Bemühungen der Bundes­regierung, Gas aus anderen Teilen der Welt zu beziehen, müssen Unter­nehmen und Verbraucher mit enorm gestiegenen Gas- und Strom­preisen kalkulieren. Welche Auswirkungen die Entwicklung auf die Arbeits­welt hat, haben wir bei Arbeit­gebenden und Arbeit­nehmenden in einer Civey-Umfrage abgefragt. 

 

Gasimporte vs. Menschen­rechts­verletzungen 

Um ausbleibende Gas­lieferungen aus Russ­land ersetzen zu können, wird mehr Gas aus Norwegen, den Nieder­landen und Belgien importiert. Aber auch mit Ländern wie Katar werden neue Verträge für Flüssig­erdgas geschlossen, um den Bedarf in Zukunft decken zu können. Insgesamt zwei Millionen Tonnen Flüssig­gas will Deutschland 2026 aus Katar beziehen. Doch mit dem neuen Deal wird auch viel Kritik laut – zumindest in der öffent­lichen Wahrnehmung. Unsere Zahlen zeigen etwas anderes.

Fast die Hälfte der Angestellten hält Gas­importe aus Ländern, denen Menschen­rechts­verletzungen vorgeworfen werden für legitim, um die Gas­krise in Europa zu über­brücken. Dennoch finden 33 Prozent – und damit ein Drittel – der Angestellten, dass es moralisch nicht vertretbar ist, Gas­lieferungen über Menschen­rechts­verletzungen zu setzen.

Bei Betrachtung der Alters­gruppen fällt auf, dass die junge Bevölkerung zwischen 18 und 29 Jahren eine extremere Haltung gegenüber Lieferungen aus Ländern wie Katar hat. Mit fast 35 Prozent, die die Frage mit „Ja, auf jeden Fall“, und mit fast 28 Prozent, die die Frage mit „Nein, auf keinen Fall“ beantwortet haben, sind sie sowohl bei der Befürwortung als auch bei der Ablehnung Spitzenreiter in den Altersklassen.

Auch bei den Arbeitgebenden äußern über 46 Prozent ihre Bereitschaft, zur Sicherung der Arbeitsplätze in ihrem Unternehmen russisches Gas durch Gas aus Ländern zu ersetzen, denen Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Aber auch hier ist die Gruppe derjenigen, die mit solchen Abkommen nicht einverstanden ist, groß: Fast 40 Prozent der Arbeitgebenden haben mit „Nein“ geantwortet.

Auch hier zeigt sich die junge Generation unter den Arbeit­gebenden gespalten: 55 Prozent von ihnen antworten mit „Ja, auf jeden Fall“ und fast 45 Prozent mit „Nein, auf keinen Fall“. Keiner der Befragten in dieser Alters­gruppe war sich unsicher oder tendierte nur leicht in eine Richtung. In der Alters­gruppe von 30 bis 39 Jahren gaben hingegen nur knapp 25 Prozent an, dass sie mit Gas­lieferungen aus Ländern, die vermeint­lich Menschen­rechte nicht einhalten, auf jeden Fall oder „Eher ja“ einverstanden wären. Die Mehrheit in dieser Alters­gruppe mit kappen 54 Prozent sprach sich dagegen aus.

Prioritäten setzen – diese Faktoren sind aktuell wichtig

In Krisen wird das wirt­schaftliche Handeln meist auf den Kopf gestellt. Wirtschafts­modelle und Zukunfts­planungen müssen überdacht werden. Und auch die äußeren Einfluss­faktoren, wie das politische Handeln, spielen eine wichtige Rolle für Unter­nehmen.

Am wichtigsten für Unternehmerinnen und Unternehmer ist es laut unserer Umfrage, die Arbeits­plätze ihrer Angestellten sichern zu können (44 Prozent). Aber auch das Wachstum des Unternehmens und der wirt­schaft­liche Erfolg sind ihnen wichtig (38 Prozent). Genauso wichtig ist es, dass die Energie­sicherung gewähr­leistet wird (38 Prozent). Nur unter ferner liefen: die Klima­schutz­ziele mit 10 Prozent. 

Energiekrise stellt Klimaziele in den Schatten 

Die steigenden Kosten für Energie fordert deutschen Unter­nehmen einiges ab. Dennoch will die Industrie laut dem BDI an den Klima­zielen für 2035 und 2045 festhalten. Wie die letzte Frage gezeigt hat, kann es kurz­fristig gesehen aber sein, dass Unternehmen ihre Klima­ziele reduzieren oder aussetzen – denn Investitionen müssen erstmal ausgesetzt werden.

Arbeit­nehmende haben Verständnis dafür, wenn ihr Arbeit­geber aufgrund der Energie­krise eigene Klima­ziele senken muss: Fast 60 Prozent beantworten die Frage mit einem „Ja“.

Trotz großer Bewegungen wie „Letzte Generation“ und „Fridays for Future“ scheinen Angestellte in der Alters­gruppe von 18 bis 29 kein Problem mit dem Aussetzen unter­nehmerischer Klima­ziele zu haben. Fast 75 Prozent haben mit „Ja“ gestimmt und nur 11 Prozent sind nicht einverstanden mit dem Aussetzen von Klima­zielen. Hingegen ist fast die Hälfte der Alters­gruppe über 65 eher un­ent­schlossen, was die Reduktion von Klima­zielen im Unter­nehmen angeht.  

Energie sparen mit Homeoffice-Pflicht  

Seit Corona ist Home­office zu einem häufig genutzten Werk­zeug geworden, um den Betrieb trotz Krise aufrecht­zuerhalten. Auch in Bezug auf die Energie­krise wird über neue Homeoffice-Pflichten nachgedacht. Die Otto Group kündigte im Oktober an, die Raum­temperatur an mehreren Stand­orten auf 15 Grad Celsius, in manchen Fällen sogar auf sechs Grad abzusenken und einen Großteil der Mit­arbeiter:innen ins Homeoffice zu schicken. Die Koordinierungs­stelle Klima­neutrale Bundes­verwaltung empfahl den Ministerien gerade erst, die Büros vom 19. Dezember bis zum 6. Januar zu schließen und die Mit­arbeiter:innen im Homeoffice arbeiten zu lassen – ein „Energie-Lockdown für die Regierung“, wie das Hauptstadt-Briefing von „The Pioneer“ am 6. Dezember 2022 titelte. Weniger Auto­fahrten und Treibstoff­verbrauch, vor allem aber weniger Heiz- und Unterhalts­kosten – doch es stellt sich auch die Frage, wer für die Kosten des steigenden Energie­verbrauchs in Privat­haushalten aufkommen wird.

Arbeit­nehmende sind sich nicht einig, was eine erneute Homeoffice-Pflicht angeht. Zwar können 45 Prozent diese Entscheidung ihres Arbeit­gebers verstehen, dennoch sind fast 35 Prozent gegen die Einführung von Home­office, um Energie zu sparen.

Arbeitgebende hingegen sind mit mehr als 60 Prozent klar gegen die Einführung einer Homeoffice-Pflicht in ihrem Unter­nehmen, um Energie zu sparen. Nur 16 Prozent beant­worteten diese Frage mit „Ja“. 


Civey hat für H/Advisors Deekeling Arndt vom 27.10.2022 bis 06.11.2022 online 1.000 Angestellte ab 18 Jahren und 1.000 Geschäftsführer:innen und Selbstständige ab 18 Jahren befragt. Die Ergebnisse sind aufgrund von Quotierungen und Gewichtungen repräsentativ unter Berücksichtigung des statistischen Fehlers von 5,6 %. Weitere Informationen zur Methodik finden Sie hier.

Foto: iStock.com/AndreyPopov

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