Nachhaltigkeit / Klimaklagen

Von Volker Heck und Stephanie Verena Prager

Wo wir beim Klimaschutz stehen

Vom 30. 11.bis 12.12.2023 wird in Dubai die mittlerweile 28. Konferenz der Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention stattfinden. Sie wird interessanterweise vom Vorstandsvorsitzenden der dortigen staatlichen nationalen Ölgesellschaft ADNOC, Sultan Ahmed al-Dschaber, geleitet. Allein das, so viele NGOs, garantiere, dass es in Dubai keine wesentlichen Ergebnisse bei den dringend erforderlichen Fortschritten zum Klimaschutz geben wird.

Wie dringend solche Fortschritte wären, zeigen Berechnungen der Vereinten Nationen: Zwischen dem aktuellen Wert und dem Zielwert für 2030 klafft eine riesige Lücke. Statt der erforderlichen Minderungen von 45 % bis 2030 (auf Basis der Werte von 2019) ergibt sich aus der Summe der eingereichten Minderungspläne der nationalen Regierungen nur eine CO2-Reduktion von unter 1 %. Bei einem Anhalten des aktuellen Trends der Treibhausgasentwicklung wäre nach den Berechnungen das noch zur Verfügung stehende CO2-Budget für das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels bis 2030 aufgebraucht.

Die Ernüchterung auf Seiten der Klimaschützer ist also groß und ihr Vertrauen in die Effektivität des internationalen Verhandlungswegs erschöpft. Viele von ihnen setzen deshalb nun auf den Weg von Klimaklagen, die sich in den letzten Jahren – siehe Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz 2021 – als effektiv erwiesen haben. Mittlerweile gibt es weltweit rund 2.200 Fälle, von denen etwa zwei Drittel in den USA geführt werden (vgl. hierzu insbesondere Sabin Center for Climate Change Law at Columbia Law School, NY, das die beste Datenbasis zu allen laufenden Klimaklagen führt). Aber auch in Europa haben die Urteile des Bezirksgerichts Den Haag gegen Shell oder die Klagen eines peruanischen Bauern gegen RWE beziehungsweise die Klagen der Deutschen Umwelthilfe und von Greenpeace gegen die deutsche Automobilwirtschaft schon für Aufsehen gesorgt.

Das Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts

Schon das wegweisende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zeigt, dass Unternehmen das Instrument der Klimaklagen nicht unterschätzen sollten. Hierfür gibt es verschiedene Gründe: Zum einen sind zunehmend mehr Gerichte willens, das Thema Klimaschutz als Klagegrund zu akzeptieren. Zweitens zeigt die Argumentation bislang vorliegender, wenn auch in vielen Fällen noch nicht letztinstanzlicher Urteile, dass bestehendes Recht durchaus eine ausreichende Grundlage bildet, schon heute Urteile zu fällen. So argumentiert auch Roda Verheyen, die auch die Klage vor dem Verfassungsgericht für die Kläger geführt hat, dass man für einen effektiven Klimaschutz nur das bestehende Recht „richtig“ anwenden muss. Und drittens gibt es enorme Fortschritte im Bereich der Attributionsforschung, also dem Teil der Klimawissenschaft, der eine Verbindung von Klimawandel und schweren Schadensereignissen herstellt. Der reine Verweis auf komplexe Realitäten im System Klima hilft den Emittenten also immer weniger.

Blick ins Ausland: Kalifornien

Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang zwei aktuelle Entwicklungen aus Kalifornien. Zum einen hat der Bundestaat im September 2023 verschiedene große Ölunternehmen verklagt, weil diese über Jahrzehnte trotz besserem eigenem Wissen die Risiken des Klimawandels in der Öffentlichkeit nicht richtig eingeordnet hätten. Diese Klage kann laufende Verfahren der US-Börsenaufsicht oder anderer Bundesstaaten noch einmal verstärken. Hier geht es in der Konsequenz um massive Schadensersatz- und Strafzahlungen in potenzieller Milliardenhöhe.

Zum anderen hat der US-Bundesstaat, der mit seiner eigenen Wirtschaftskraft die viertgrößte Volkswirtschaft der Erde ist, ebenfalls im September 2023 gesetzlich festgelegt, dass spätestens ab 2027 alle Unternehmen, die in Kalifornien tätig sind, ihre Emissionen hinsichtlich Scope 1 bis 3 öffentlich zu erklären haben. Auch diese Forderung ist bereits bei manchen Klimaklagen erhoben und durch Gerichte in Einzelfällen bestätigt worden. Dies bedeutet die Einbeziehung aller Emissionen bei der Beschaffung, also den eigenen Lieferwegen, sowie den eigenen Absatzwegen inklusive des Verbrauchs bei den Kunden. Eine derart weitreichende Darstellung unternehmerisch verursachter Emissionen ist bislang nirgendwo festgelegt und von vielen Unternehmen schon bei der Frage des Lieferkettengesetzes als zu umfangreich dargestellt worden.

Die Rechtslage in Europa

Man muss sich vergegenwärtigen, dass bislang nach einschlägigen CSR-Vorgaben nur große Unternehmen in Europa zu einer nicht-finanziellen Erklärung verpflichtet sind. Diese Vorgabe wird ab 2024 beziehungsweise 2026 auch auf weniger große Unternehmen ausgedehnt. Da die Vorgaben in ihrem Umfang eigentlich auf Großkonzerne ausgelegt sind, die über große Reporting-Abteilungen mit entsprechenden Experten und die nötigen finanziellen Mittel für ein solches Reporting verfügen, haben kleine und mittlere Unternehmen das Nachsehen. Die bisherigen Regelungen sind jedoch schon jetzt so anspruchsvoll, dass auch Großkonzerne bereits an ihre Grenzen kommen. Die festgelegten Berichtspflichten fallen dabei aktuell jedoch noch weit hinter das zurück, was in Kalifornien nun verabschiedet worden ist. Unschwer ist abzusehen, dass die neuen kalifornischen Standards mittelfristig auch hier zum Maßstab der nicht-finanziellen Berichterstattung werden können. Hierzu dient ein Vergleich aus dem Automobilbereich: Es waren kalifornische Vorgaben aus den frühen 2000er Jahren, die die Grenzen für die Emission von Verbrenner-Motoren wirksam hochgeschraubt haben und zum internationalen Standard geworden sind. Letztlich war es der (falsch geführte) Kampf um das Einhalten der strengen kalifornischen Vorgaben, der ursächlich war für den deutschen „Diesel-Skandal“. Und auch das Aus für Verbrenner-Motoren ab den 2030er Jahren, das nun auch in der EU gilt, hatte seinen Ursprung in Kalifornien.

Fazit und Ausblick

Klimaschutz bleibt auf der Tagesordnung, auch wenn der internationale Verhandlungsweg zunehmend weniger erfolgsversprechend wirkt. Es werden – bei allen verbleibenden rechtlichen Zweifeln an diesem Vorgehen – die Gerichte sein, die die Politik zu einem härteren Weg zwingen können. Parallel dazu werden die Berichtspflichten der Unternehmen spürbare Ausweitungen erfahren.

 

Der Beitrag erschien mit dem Titel „Climate Litigation und die nicht-finanzielle Berichterstattung – Gerichte werden die Politik zu härterem Vorgehen in Sachen Klimaschutz zwingen“ im Oktober 2023 in Restructuring Business, Ausgabe 03_2023, hier können Sie den Originalartikel herunterladen.

Foto: iStock.com/Boy Wirat

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