Die 10 Gebote der Kommuni­kation von digitaler Trans­formation

Von Egbert Deekeling

Die digitale Transformation ist inzwischen das Schlagwort des Wirtschaftsgeschehens in Deutschland. Viele Branchen sind betroffen, Konzerne und Unternehmen definieren ihre Transformationsprozesse und -projekte.

Lange war von der Unternehmens­kommunikation nichts zu hören und zu sehen. Digitale Transformation war hier Synonym für die Digitalisierung der Kommunikation. Ende der Durchsage! Doch das ändert sich gerade. Die Unternehmens­kommunikation entdeckt und definiert ihre Rolle bei der Steuerung und Vermittlung von digitaler Transformation. Hier sind – basierend auf unseren Erfahrungen der letzten Jahre – einige Gestaltungs­empfehlungen:

Bei der digitalen Transformation geht es um die strategische Erneuerung und die Zukunft des Unternehmens. Dafür muss der CEO als Initiator, Impulsgeber und Treiber nach außen und innen sichtbar sein. Er ist federführend für den Gesamtprozess – und muss auch so erlebt und wahrgenommen werden. Das ist nicht delegierbar, auch nicht an den CDO oder den CIO. Der CEO muss sich in der Vorreiterrolle zeigen. Er selbst verkörpert die neue Ära. Alles andere unterwandert seine Führungsautorität.

Die digitale Transformation ist ein Vorhaben, für dessen Erfolg alle Kräfte mobilisiert werden müssen. Das erfordert den engen Schulterschluss mit Aufsichtsrat und Mitbestimmung. Sie müssen vom neuen Weg überzeugt sein und mit dem Management das gleiche Verständnis der anstehenden Aufgaben teilen. Beide sind deswegen so früh wie möglich in den Prozess einzubinden. Denn es gilt, Geschlossenheit gegenüber Kapitalmarkt und Öffentlichkeit zu demonstrieren und die Mitarbeiter auf dem Weg mitzunehmen. Das schafft Rückendeckung nach außen wie nach innen.

Der Kapitalmarkt denkt in kurzfristigen Zeiträumen und will schnelle Erfolge sehen. Er erwartet, dass Veränderungs­­prozesse überschaubar sind und ohne größere Risiken umgesetzt werden. Die digitale Transformation aber ist ein mittel- bis langfristiger Prozess – zudem ergebnisoffen und oft mit Investitions­risiken verbunden. Sie verkörpert damit genau das, was der Kapitalmarkt scheut. Deswegen braucht es den regelmäßigen Dialog mit dem Kapitalmarkt über Ziele, Potenziale und Fortschritte der Erneuerung. Denn ohne den Goodwill und die Geduld von Aktionären und Investoren kann sie nicht gelingen.

Optimierung, Effizienzsteigerung, Kostensenkung – mit diesen Schlagworten wurden die meisten Change-Prozesse des letzten Jahrzehnts begründet und von Führungskräften und Mitarbeitern erlebt. Damit verbunden sind oft Verlustängste und die Sorge um den Arbeitsplatz. Das ist gelernt und schlägt durch auf die Wahrnehmung der digitalen Transformation, zumal auch sie ein hohes Effizienz- und damit Angstpotenzial besitzt. Dem ist aber entschieden entgegenzuwirken. Denn digitale Transformation ist viel mehr: Sie schafft neue Räume für Innovation, Wachstum und Zukunft – darum geht es vor allem. Das muss vermittelt werden, um Identifikation und Aufbruch in eine neue Zeit zu ermöglichen.

Wer als Unternehmen in der digitalen Welt erfolgreich sein will, muss schnell, agil und innovativ sein. Das stellt eingefahrene Routinen von Führung und Zusammen­arbeit in Frage. Einem Denken in Bereichen, Hierarchien und Kontrollmechanismen stehen Trial & Error, Projektarbeit und Beteiligung gegenüber. Dies verlangt auch ein neues Rollen­verständnis von Führungskräften. Statt Herrschafts­wissen, Anweisung und Kontrolle kennzeichnen vor allem Impulse, Moderation und Befähigung das neue Führungsmuster in der digitalen Welt. Kommunikation muss dafür Aufmerk­samkeit schaffen und den neuen „digitalen“ Führungsstil in Szene setzen. Das schafft Vorbilder unter Führungs­kräften und gibt der Erneuerung weiteres Momentum.

Digitalisierung ist eng mit der Wertewelt von Start-ups und der Generation Y verbunden. Sie repräsentieren die neue Leitkultur des digitalen Zeitalters. Es ist jedoch ein Irrtum, mit der eigenen Digitalisierung gleich die gesamte tradierte Geschäftskultur als Ballast komplett über Bord werfen zu wollen. Denn große Unternehmen und Konzerne sind keine Start-ups: Sie haben andere Strukturen und agieren anders. Deswegen ist die eigene Unternehmenskultur vorsichtig für die neue „digitale“ Wertewelt zu öffnen und mit ihr auszubalancieren. Dafür braucht es Raum für neue Ideen, Austausch und Lernen.

Die Marke ist das zentrale Symbol jedes Unternehmens: Sie zeigt, wofür das Unternehmen steht und wohin es will. Daher muss sich die digitale Transformation auch in der Marken­führung widerspiegeln. Das erfordert nicht gleich ein neues Logo oder ein neues CD. Es geht vielmehr darum, die Relevanz der Marke in der digitalen Welt zu stärken, sich neuen (jungen) Ziel­gruppen zu öffnen und neue, unkonventionelle Formate im Marken­auftritt zu entwickeln – zum Beispiel im Employer Branding. An der „Auffrischung“ der Unternehmens­marke wird die Erneuerung des Unternehmens für externe und interne Zielgruppen erlebbar.

Die Unternehmens­kommunikation ist komplexer und anspruchsvoller geworden: Multistakeholder-Ansatz, ein breites Spektrum von Formaten und intensives Content-Management kennzeichnen ihr Aufgabenspektrum. Digitalisierung hilft, diese Aufgaben schneller, effizienter und zielgruppen­gerechter zu erfüllen. Sie ist aber nicht mit der Kommunikation von digitaler Transformation gleichzusetzen. Hier geht es um mehr: um die Begleitung der mit ihr verbundenen Verständnis- und Kulturprozesse. Das geht nur mit Formaten der persönlichen Kommunikation und face to face. Digital unterstütztes Content- und Kanal-Management allein kann das nicht leisten.

Innovationsabteilungen arbeiten seit Jahren mit neuen kreativen Methoden wie Design Thinking, Bar Camps oder Business Model Canvas. Was solche Methoden ausmacht: Es geht dabei um experimentelles Vorgehen, um Ausprobieren, um Kreativität – und um ein bewusstes Verlassen des vertrauten Terrains. Doch was bisher das Methoden­repertoire des Innovations­managements war, muss nun auch zur Grundausstattung der Kommunikation werden. Denn die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, wird jetzt zur Grundanforderung an das gesamte Unternehmen. Methoden wie Design Thinking sind geeignete Kommunikations­formate, um Führungskräfte und Mitarbeiter für Neues zu öffnen und gemeinsam eine Zukunftsvorstellung zu entwickeln.

Der Erfolg von digitaler Transformation hängt ab von der Haltung aller Anspruchsgruppen innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Deswegen kommt dem Unternehmenskommunikator eine zentrale Rolle zu. Er muss das Management und die Verantwortlichen digitaler Innovationsprojekte als Berater für strategisches Stakeholder-Management aktiv unterstützen. Der Kommunikator muss sich als Dramaturg der digitalen Transformation verstehen, der Content aufbereitet, externe und interne Anspruchsgruppen involviert und dem Management die richtige Bühne verschafft. Nur mit diesem Selbstverständnis wird er der erfolgskritischen Bedeutung von Kommunikation in der digitalen Transformation gerecht.

Sehen Sie auch das Video-Interview mit Egbert Deekeling. Er spricht darin über seine Beweggründe, die zehn Gebote zu formulieren, über seine Erfahrungen aus der Beratungspraxis und die kommunikativen Herausforderungen der digitalen Transformation.