Ansprüche der jüngeren Generation und gesellschaftspolitische Themen fordern Topmanagement und IK heraus. Wir haben Ikbal Hatihan, Corporate Communications Manager bei Roche, zu ihrem Standpunkt gefragt.
Die „Boomer“ sitzen in vielen Unternehmen im Topmanagement und sehen sich in ihrer Führungskommunikation mit den neuen Ansprüchen der jüngeren Generation konfrontiert. Bei aller Ungenauigkeit dieser Zuschreibungen – wo müssen die „Boomer“ umdenken, um nicht an der kommenden Generation vorbeizukommunizieren?
Ich glaube, das Stichwort an dieser Stelle lautet: Selbstreflexion. Wir leben in so einer schnelllebigen Welt und die Gesellschaft befindet sich natürlich auch im Wandel, mit all den Diskursen und der Vielfalt der Meinungen. Meine Empfehlung an die sog. „Boomer-Generation“ besteht darin, die eigenen Annahmestrukturen zu überdenken und offen zu sein für die Meinung der jüngeren Generation. Das genaue Hinterfragen von Dingen, der Fokus auf Themen wie Nachhaltigkeit, Diversity oder Chancengleichheit – all das bietet auch Chancen in der Führungskommunikation, um die eigenen Werte kommunikativ sichtbar zu machen und in den Dialog zu treten mit der jüngeren Generation.
Viele junge Menschen produzieren im Privatleben über Social Media selbst Content, bringen ihre Vorstellungen vom Leben zum Ausdruck. Wie kann die Interne Kommunikation dieses Engagement nutzen? Soll sie das überhaupt?
Das Berufsbild des sog. „Content Creators“ ist eine Disziplin für sich. Junge Menschen entscheiden sich oftmals für diesen Weg, da sie unabhängig und eigenständig ihre eigene Business-Idee leben wollen. Die Interne Kommunikation sollte an dieser Stelle immer am Puls der Zeit sein, konkret: Wenn Mitarbeitende des Unternehmens guten Content produzieren, welcher zu den eigenen Werten und Themen passt, sollte man diesen Content in die unternehmenseigene Kommunikationsstrategie integrieren. Die Interne Kommunikation ist für Mitarbeitende von Organisationen und sie ist authentischer, wenn sie auch von den eigenen Mitarbeitenden aktiv getrieben wird, anstelle von unpersönlichen Corporate-Texten oder Bild- / Videomaterial aus diversen Plattformen. Die Interne Kommunikation kann diesen Content beispielsweise anlassbezogen nutzen, wie z. B. während der europäischen Nachhaltigkeitswoche oder dem deutschen Diversity-Tag. Hier können im Rahmen von internen Kommunikationskampagnen Mitarbeitende mit eigenen Ideen zu diesen Themen zu Wort kommen, z. B. mit einem Video, Blogbeiträgen oder auch einer internen Podcast-Folge. Ich glaube, es gibt an dieser Stelle eine große Anzahl von kreativen Möglichkeiten, um dieses Engagement zu nutzen.
Ihnen persönlich liegt das Thema Diversity sehr am Herzen. Fernab der üblichen Gender-Debatte – welchen „Bias“ stellen Sie trotz der wachsenden Offenheit gegenüber dem Thema in der Kommunikationsbranche immer noch fest?
Manchmal habe ich das Gefühl, dass Kommunikationsleute dieses Thema nur halbherzig angehen und selbst keine Bereitschaft mitbringen, sich in diesem Bereich weiterzubilden. Unsere Branche ist sehr homogen und sehr weiß – meistens findet man auf Branchenevents fast jedes Jahr dieselben Speaker, die nicht gewillt sind, ihre eigenen Privilegien zu überdenken und nicht sichtbaren Gruppen den Vortritt zu lassen. Auch die Gleichung viele Arbeitsjahre = guter Kommunikationsmensch kann ich manchmal nicht ganz nachvollziehen, da bei fehlender Motivation sich weiterzubilden Kompetenzen teilweise nur sehr unzureichend vorhanden zu sein scheinen. Ich glaube, die Menschen in unserer Branche können sich die Frage stellen, welchen Beitrag sie individuell für das Thema Diversity leisten. Das kann genderinklusive Sprache sein, aber auch soziale Herkunft oder Inklusion. Ich bin der festen Überzeugung, dass gute Kommunikationsarbeit nur gelingt, wenn man gesellschaftspolitische Themen mit einem ehrlichen Interesse an dem Thema durchdringt.
Ikbal Hatihan arbeitet als Corporate Communications Manager mit den Schwerpunkten Führungskräftekommunikation, Change & Interne Kommunikation bei Roche. Nach einem Wirtschaftsstudium in Nürnberg und Istanbul wurde sie 2020 als eine der 100 hellsten Köpfe der PR ausgezeichnet. Seit 2021 ist sie zertifizierte Diversity Managerin – ihr persönliches Herzensthema. Ihre Passion für Diversität und Inklusion bringt sie neben ihrem Job ehrenamtlich als Beisitzerin im Landesvorstand Bayern der DPRG (Deutsche Public Relations Gesellschaft) voran.
Foto: Ikbal Hatihan