TQ Restrukturierung

Von Susanne Arndt

Eine vertrauens­volle Zusammen­arbeit zwischen Unternehmens­leitung und Mit­bestimmung ist insbesondere in krisen­haften Zeiten ein wichtiger Faktor für die Akzeptanz von Maß­nahmen. Die Krise wird zum Prüf­stein, wie belast­bar selbst jahrzehnte­lang gepflegte Beziehungen zwischen dem Arbeit­geber und den Arbeit­nehmer­vertretern sind. Meistens wird aus dem konstruktiven Miteinander ein Gegen­einander. Es wird um Positionen gestritten und jede Seite fährt scharfe Geschütze auf.

Das „klassische“ Rollen­muster sieht so aus: Wenn eine Restruktu­rierung bevorsteht, verfolgen Unter­nehmens­führung, Betriebs­rat und Gewerk­schaft primär ihre spezifischen Positionen. Gespräche und Verhand­lungen werden durch tradierte Verhaltens­weisen beherrscht. Beide Seiten lassen die Muskeln spielen, um die eigenen Ziele durch­zusetzen, und sie sind dabei – im machiavelli­stischen Sinn – nicht zimperlich in der Wahl der Mittel sowohl innerhalb als auch außerhalb der Verhandlungs­situation. Kommt es schließ­lich zu einer Einigung, reklamieren beide Seiten das Ergebnis als eigenen Erfolg, oft in parallelen und strikt von­einander getrennten Kommunikations­strängen. Inhalt­lich und argumentativ werden bei dieser Praxis die alten „Kampf­linien“ sicht­bar. Akzeptanz und Motivation für einen engagierten Aufbruch und notwendigen Neu­anfang bleiben in der Folge jedoch häufig auf der Strecke.

Neues Prozess- und Beratungsmuster: Verhandlungen „auf Augenhöhe“

Doch je stärker der Handlungs­druck von innen und außen wird, desto größer ist die Chance, eine neue Form der Zusammen­arbeit zu etablieren. Statt sich in Verhandlungen zu „verkämpfen“ und Kräfte zu vergeuden und statt sich über interne und externe Medien gegenseitig Vorwürfe zu machen, sollten sich Unternehmens­führung und Arbeitnehmer­vertretung in der Krise vor allem über die Schnitt­mengen verständigen: Denn im Kern wollen ja beide Seiten das Gleiche – das Unter­nehmen in seinem Bestand sichern und damit zukunfts­fähige Arbeits­plätze schaffen! Dies gelingt nur, wenn sich jeder seiner Ver­ant­wortung für das Gelingen der Restruktu­rierung bewusst ist.

Aus unserer lang­jährigen Beratung von Unter­nehmen, die eine Restruktu­rierung durch­laufen, lässt sich für die notwendige Zusammen­arbeit mit der Mitbestimmung einiges verall­gemeinern. Von Bedeutung ist die Ver­handlungs­strategie: Statt die dringend nötige Neu­auf­stellung ein­seitig „durch­zudrücken“ oder umgekehrt harte Einschnitte zu Lasten der ­Mitarbeiter:innen­ zu blockieren, führt eine von Beginn an  kon­struktive gemein­same Suche nach trag­fähigen Lösun­gen viel­fach schneller und nach­haltiger zum Ziel. Entscheidend dabei ist, die Per­spektive des jeweils anderen ein­zu­nehmen: Was brauchst du, um die zur Re­struktu­rierung notwendigen Maßnahmen mit­zutragen und als eignen Erfolg verkaufen zu können? Was benötige ich, damit die Zukunfts­fähig­keit des Unter­nehmen lang­fristig gesichert wird? Dieser Ansatz ermöglicht ein Verhandeln „auf Augen­höhe“ und vergrößert die Chancen für beide Seiten, zu akzeptierende Lösungen zu finden. Die Basis für ein neues Mit­einander sind Vertrauen, Offen­heit und Transparenz.

Kommunikative Perspektiven von Anfang an einbeziehen

Neben ökono­mischen und sozialen Aspekten sollten auch kommuni­kative Per­spektiven schon während der Ver­handlungen mitgedacht werden. Jede Seite antizipiert dabei idealer­weise Inhalte und Bot­schaften, die der anderen Seite in der Kommuni­kation mit ihren jeweils relevanten Stake­holdern poten­ziell wichtig sind. Ist es zum Beispiel für die Arbeit­nehmer­seite wichtig heraus­zu­stellen, dass ein geplanter Stellenabbau nicht nur die ­Mit­arbeiter:innen­ betrifft, sondern auch die  Führungs­kräfte­ebene, dann kann eine Geschäfts­leitung diese Perspektive proaktiv auf­greifen. Die Vor­teile einer früh­zeitigen Einigung können dann in der späteren kommuni­kativen Dar­stellung der Ergebnisse beid­seitig genutzt werden: Indem das Unter­nehmen Ein­schnitte im Manage­ment vornimmt und in der Kommunikation akzentuiert, signalisiert es: „Wir haben verstanden – und wollen eine faire Ver­teilung der Lasten.“ Die Arbeit­nehmer­vertretung wiederum kann gegenüber den Mitarbeiter:innen deutlich machen: „Wir haben in den Ver­hand­lungen einen zentralen Punkt unserer Agenda durch­gesetzt.“ Beide Seiten stärken so ihre Reputation und Glaub­würdig­keit.

Vorgehen und Inhalte der Kommunikation abstimmen

Wenn in Verhandlungen „auf Augenhöhe“ gemeinsame Lösungen gefunden werden, ist dies eine gute Voraussetzung, um die Früchte dafür später in der Kommunikation zu ernten. Damit dies gelingt, sollten das kommunikative Vorgehen sowie die Kommunikations­inhalte und -maßnahmen gemeinsam abgestimmt werden – ohne die eigene kommunikative Souveränität aufzugeben. Beide Seiten bedienen passgenau ihre jeweils spezifischen kommuni­kativen Kanäle. Aber niemand beansprucht die kommuni­kative Hoheit einseitig oder will am anderen vorbei First Mover sein. Das macht Leakage-Strategien über­flüssig.

In der Praxis bedeutet dies: Geschäfts­leitung sowie Betriebs­rat und Gewerk­schaft stimmen die Dramaturgie und den Kommunikations­fahrplan für den Launch Day gemeinsam ab: Wer adressiert wann mit welchem Medium und über welchen Kanal seine Stake­holder? Welche Inhalte werden dabei gesetzt? Über das Align­ment von Dramaturgie und Inhalten hinaus setzen gemeinsame Veröffent­lichungen oder gemeinsame physische oder virtuelle Auftritte von Manage­ment, Betriebs­rat und Gewerk­schaft besonders wirkungsvolle Zeichen. Eine abgestimmte Kommunikation während und vor allem auch nach der Verhandlungs­phase unter­streicht symbol­haft die konsensuale Lösungs­findung und hat Vorteile mit Blick auf die Ziel­wahr­nehmung bei den jeweils relevanten Stake­holdern – eine Win-Win-Situation für Unternehmen und Arbeitnehmer­vertretung.

Foto: iStock.com/mbbirdy

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