Von Volker Heck
Das Konzept eines Industriestrompreises ist hochpolitisch und in der Sache umstritten. Während eine Vielzahl energieintensiver Unternehmen klare Forderungen formuliert, um am Standort Deutschland weiter wettbewerbsfähig arbeiten und investieren zu können, stehen ordnungspolitische Bedenken und handfeste Interessen kleinerer und mittlerer Unternehmen einfachen staatlichen Zusagen entgegen.
Hinzu kommen die beihilferechtlichen Bedenken der EU, die einem finanzstarken Mitgliedsstaat wie Deutschland zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen im Europäischen Binnenmarkt keine Sonderrechte zuerkennen kann. Wie schwierig aber auch in Deutschland eine Konsensfindung zwischen Politik und Wirtschaft ist, hat der Chemie-Gipfel am 27. September in Berlin gezeigt. Hier ist, sehr zum Leidwesen der Chemieindustrie und der Gewerkschaften, noch keine Übereinstimmung zu einem Industriestrompreis erreicht worden. Die Chemieindustrie setzt nun auf ein weiteres Treffen im Oktober, um zu einer Verständigung zu kommen.
In den unterschiedlichen Vorschlägen pro und contra Industriestrompreis bündeln sich also wie unter einem Brennglas entgegengesetzte Sichtweisen, wie ein wettbewerbsfähiger und nachhaltig wirtschaftender Industriestandort der Zukunft aussehen soll. Antworten hierzu können nicht nur industriepolitisch erfolgen. Angesichts einer wachsenden Skepsis zur Akzeptanz von Wachstum und Ressourcenverbrauch berühren solche Fragen auch weitreichende gesellschaftspolitische Fragestellungen. Ist es gerecht, den Energieverbrauch einer kleinen Zahl von Unternehmen zu subventionieren, wenn die Gesellschaft insgesamt Energie einsparen soll? Sind die energieintensiven Industrien der Wegbereiter einer nachhaltigen Zukunft auf Grund ihrer Bedeutung für resiliente Lieferketten – oder sollte die Produktion dort erfolgen, wo grüne Energien und die erforderlichen Ressourcen bereits heute reichlicher vorhanden sind?
Die aktuelle Diskussion zum Industriestrompreis veranschaulicht sehr gut, dass Unternehmen in einem politisch schwierigen Umfeld navigieren müssen. Bei solchen Themen braucht es einen klaren Kurs und neue Allianzen, weil der inhaltliche Riss mitunter nicht nur durch eine Regierungskoalition, sondern auch die bestehenden Interessenverbände geht. Gleichzeitig müssen Unternehmen und ihre Interessenvertreter in Politik und Verbänden auch zu gesellschaftspolitischen Kritikpunkten sprechfähig sein. Hier manifestieren sich – etwa in der Diskussion zur Streichung schon bestehender Vergünstigungen für den industriellen Energieverbrauch – auch erhebliche wirtschaftliche Risiken. Erforderlich sind deshalb umfassende Analysen zur Positionierung des Unternehmens und seiner Wettbewerber, das kontinuierliche Monitoring wichtiger Prozesse und eine detaillierte Roadmap, wie auftretende Hürden erfolgreich gemeistert werden können.
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