Transformation Quarterly 03_2023

Von Volker Heck

Das Konzept eines Industrie­strom­preises ist hoch­politisch und in der Sache umstritten. Während eine Vielzahl energie­intensiver Unternehmen klare Forderungen formuliert, um am Standort Deutsch­land weiter wettbewerbs­fähig arbeiten und investieren zu können, stehen ordnungs­politische Bedenken und hand­feste Interessen kleinerer und mittlerer Unternehmen einfachen staat­lichen Zusagen entgegen.

Hinzu kommen die beihilfe­rechtlichen Bedenken der EU, die einem finanz­starken Mitglieds­staat wie Deutsch­land zur Vermeidung von Wettbewerbs­verzerrungen im Europäischen Binnenmarkt keine Sonder­rechte zuerkennen kann. Wie schwierig aber auch in Deutsch­land eine Konsens­findung zwischen Politik und Wirt­schaft ist, hat der Chemie-Gipfel am 27. September in Berlin gezeigt. Hier ist, sehr zum Leidwesen der Chemie­industrie und der Gewerk­schaften, noch keine Übereinstimmung zu einem Industrie­strom­preis erreicht worden. Die Chemie­industrie setzt nun auf ein weiteres Treffen im Oktober, um zu einer Verständigung zu kommen.

In den unter­schiedlichen Vorschlägen pro und contra Industrie­strom­preis bündeln sich also wie unter einem Brenn­glas entgegen­gesetzte Sichtweisen, wie ein wettbewerbs­fähiger und nach­haltig wirtschaftender Industrie­standort der Zukunft aussehen soll. Antworten hierzu können nicht nur industrie­politisch erfolgen. Angesichts einer wachsenden Skepsis zur Akzeptanz von Wachstum und Ressourcen­verbrauch berühren solche Fragen auch weit­reichende gesellschafts­politische Frage­stellungen. Ist es gerecht, den Energie­verbrauch einer kleinen Zahl von Unternehmen zu subventionieren, wenn die Gesell­schaft insgesamt Energie einsparen soll? Sind die energie­intensiven Industrien der Wegbereiter einer nachhaltigen Zukunft auf Grund ihrer Bedeutung für resiliente Liefer­ketten – oder sollte die Produktion dort erfolgen, wo grüne Energien und die erforderlichen Ressourcen bereits heute reichlicher vorhanden sind?

Die aktuelle Diskussion zum Industrie­strom­preis veranschaulicht sehr gut, dass Unter­nehmen in einem politisch schwierigen Umfeld navigieren müssen. Bei solchen Themen braucht es einen klaren Kurs und neue Allianzen, weil der inhaltliche Riss mitunter nicht nur durch eine Regierungs­koalition, sondern auch die bestehenden Interessen­verbände geht. Gleichzeitig müssen Unternehmen und ihre Interessen­vertreter in Politik und Verbänden auch zu gesellschafts­politischen Kritik­punkten sprechfähig sein. Hier manifestieren sich – etwa in der Diskussion zur Streichung schon bestehender Vergünstigungen für den industriellen Energie­verbrauch – auch erhebliche wirtschaftliche Risiken. Erforderlich sind deshalb umfassende Analysen zur Positionierung des Unter­nehmens und seiner Wett­bewerber, das kontinuierliche Monitoring wichtiger Prozesse und eine detaillierte Roadmap, wie auftretende Hürden erfolgreich gemeistert werden können.

Foto: iStock.com/forrest9

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