Report M&A Leaks

Von Daniela Münster

Für Journalist:innen oft ein Scoop, für Unternehmen meist der pure Graus – wenn Insider Transaktionen vor geplanter Bekanntgabe ausplaudern und Medien groß berichten. Denn auf der Corporate-Seite kann dies durchaus einen Deal zum Platzen bringen. Um dieses Fiasko zu vermeiden, ist die frühzeitige Vorbereitung auf einen solchen Ausnahmezustand die beste Verteidigung.

Dabei tritt eine solche Situation deutlich häufiger auf als oftmals angenommen. Der erste globale Leaks-Report von H/Advisors hat für das Jahr 2022 globale Deals über 2 Milliarden USD untersucht, knapp die Hälfte entstammt dabei dem US-amerikanischen Markt. Das Ergebnis ist deutlich: Von den 267 untersuchten Deals weltweit sind trotz Geheimhaltungsvereinbarungen 89 Transaktionen, also ein Drittel, vorab bekannt geworden – das betrifft ein Gesamtvolumen von knapp 800 Milliarden USD.

Entscheidende Faktoren – Westeuropa bei Leaks oft vorne

In den verschiedenen untersuchten Regionen gibt es deutliche Unterschiede: 48 % der westeuropäischen Transaktionen sind vorab bekannt geworden (von den 8 untersuchten Deals mit deutscher Beteiligung sogar 75 %), nur Deals aus dem Raum Asien-Pazifik sind mit 55 % noch öfter geleakt worden. In den USA hingegen war das nur in 28 % der Deals der Fall.

Signifikante Unterschiede sind auch über die verschiedenen Branchen zu beobachten. Klar ist dabei, dass große Namen und öffentliches Interesse Journalist:innen deutlich anspornen. Entsprechend ist auch der Retail-Sektor, inklusive Food und Tabak, mit 48 % häufiger betroffen als der Durchschnitt. Im Vergleich hat die Immobilienbranche bei einer vergleichbaren Anzahl an Deals nur 5 % an Leaks aufzuweisen – der mit Abstand niedrigste Wert. Neben Retail sind nur die Luft- und Raumfahrt- sowie die Rüstungsindustrie häufiger von undichten Stellen betroffen. Dies kann wiederum mit dem Krieg in der Ukraine sowie der erhöhten Nachfrage im Flugverkehr Post-Corona in Verbindung gebracht werden.

Entscheidend für einen Leak ist insbesondere die Größe der Deals. Transaktionen mit einem sehr hohen Volumen werden dabei deutlich häufiger geleakt. Es gilt also: je größer, desto wahrscheinlicher. Deals mit einem Volumen von 2-5 Milliarden USD kamen in 30 % der Fälle ans Licht, die untersuchten Deals mit einem Volumen von 26-50 Milliarden USD in 83 % der Fälle, bei einem Volumen von 51-75 Milliarden USD in 67 % der Fälle.

Das Volumen der Deals war laut Report jedoch meist nicht akkurat berichtet – was schlichtweg daran liegt, dass der Preis meist bis zur letzten Minute Gegenstand der Verhandlungen ist. Richtig lag die Berichterstattung nur in einem von fünf Fällen – allerdings ist auch in fast der Hälfte der geleakten Transaktionen kein genaues Deal-Volumen offiziell genannt worden. Was hingegen sehr häufig bei den untersuchten Leaks stimmte, waren die beteiligten Parteien. In den USA war die Berichterstattung in 79 % der Fälle akkurat, in Westeuropa zu 81 % und in der Region Asien-Pazifik zu 85 %.

Sondersituation Mitbestimmung insbesondere in Deutschland und Frankreich

Aber woran liegt es, dass Deals in Westeuropa häufiger vorab bekannt werden? Deals über 2 Milliarden USD sind in den USA zwar häufiger, das Vertraulichkeitsgebot scheint jedoch besser zu funktionieren. Das heißt aber nicht, dass in Westeuropa mehr aus dem Nähkästchen geplaudert wird. Es gibt schlichtweg andere Parameter, die zu beachten sind. Insbesondere in den großen westeuropäischen Märkten Deutschland und Frankreich sind die Mitbestimmung durch Betriebsräte sowie die Aktivitäten von Gewerkschaften nicht zu unterschätzen. Sie müssen oft frühzeitig involviert werden, Vorabgespräche sind teils zwingend nötig. Dementsprechend steigt das Risiko eines Leaks deutlich.  

So sind die im H/Advisors Leaks-Report untersuchten Deals in Westeuropa auch signifikant früher bekannt geworden als in anderen Märkten. Mit durchschnittlich 76 Tagen vor offizieller Ankündigung liegt Westeuropa weit vorne, während in den USA Transaktionen im Durchschnitt erst 23 Tage vorher durchsickern – nur in Osteuropa, dem Mittleren Osten und Afrika liegt der Wert mit 12 Tagen vor offizieller Ankündigung noch niedriger. Auch hier ist der größere Kreis an Mitwissern in Westeuropa relevant. Die Leaks bei Transaktionen mit deutscher Beteiligung variierten dabei signifikant: Bei den 6 untersuchten Leaks lagen zwischen 5 und 180 Tagen zwischen Leak und offizieller Bekanntgabe.

Welche Insider geben die Informationen preis?

Bei geleakten Deals gibt es eine Vielzahl möglicher Quellen. Ein Leak kann in der Verhandlung auch durchaus opportun für einzelne Parteien sein – insbesondere um andere mögliche Käufer ins Spiel zu bringen und darauf aufmerksam zu machen oder im Gegenteil andere Konkurrenten abzuschrecken.

Das heißt: Leaks sind in der Regel beabsichtigt. Dadurch kann Einfluss auf die aktuelle Situation genommen, der Preis gedrückt oder angehoben werden. Manchmal geht es aber auch schlichtweg darum, die Gunst eines bestimmten Journalisten zu erlangen und die Beziehung zu stärken. Ein Leak kann auch durch mögliche Vorabgespräche mit Journalist:innen entstehen, wenn diese sich nicht an vereinbarte Sperrfristen halten. Genauso können Informationen auch durch Wettbewerber geleakt werden, mit dem Ziel einen möglichen Zusammenschluss zweiter Unternehmen zu einem neuen Marktführer zu verhindern.

Zu unterscheiden gilt, ob es sich nur um marktübliche Gerüchte handelt – etwas, das in der Regel immer mal wieder auftritt. Dafür sind die Branchen zu gut untereinander vernetzt. Sollten bei Gerüchten jedoch zunehmend genauere Details auftauchen, kann es sich dabei wiederum um gezieltes Vorgehen handeln.

Prävention ist unumgänglich

Dementsprechend muss die richtige Vorbereitung frühzeitig erfolgen. Wie in den meisten unternehmerischen Ausnahmezuständen gilt: Eine zeitige Auseinandersetzung mit möglichen Leaks kann bei Eintritt des Ernstfalls Gold wert sein. Quintessenz ist: Die Kommunikation nach einem Leak, sprich die Reaktion eines Unternehmens darauf, kann die Integrität der Verhandlungen maßgeblich beeinflussen.

Zunächst sollten Kommunikator:innen alle eventuellen Szenarien genauestens beleuchten und durchspielen. Insbesondere auf die beteiligten Akteure und die geleakten Informationen sollte geachtet werden. Zudem sollte beleuchtet werden, wem das Leak in die Hände spielt. Daneben können auch die unterschiedlichen Zeitpunkte eine Rolle spielen und deutliche Auswirkungen haben. Danach gilt es, eine adäquate, passgenaue Zielgruppen-Kommunikation aufzusetzen. So ist gegebenenfalls ein Finanzinvestor nach einem Leak „not amused“ und spielt mit dem Gedanken sich zurückzuziehen. Auch auf solche Fälle muss die Unternehmenskommunikation vorbereitet sein. Neben den Zielgruppen sollten dabei die Bespielung der diversen Kommunikationskanäle Beachtung finden. Denn gerade in Social Media wird verstärkt über Deals berichtet.

Ist die Kommunikationsabteilung auf alle eventuellen Leak-Szenarien vorbereitet, gilt es konsequent die Berichterstattung zu beobachten. Oft gibt es zwar Berichte, diese weichen jedoch von den tatsächlichen Begebenheiten ab. Es gilt also genau abzuwägen, ob es sich gegebenenfalls nur um marktübliche Gerüchte handelt oder wirklich Details durchgesickert sind und eine aktive Kommunikation nötig wird – teils auch im direkten Dialog mit den betroffenen Stakeholdern. 

Nur eines ist letztlich noch besser als eine gute Vorbereitung: die komplette Vermeidung von Leaks. Dafür ist es unumgänglich, dass Vorstände so früh wie möglich ihr Team auf Vertraulichkeit einschwören und in die Verantwortung nehmen. Es hat sich gezeigt, dass dies die nach wie vor die beste Methode ist, undichte Stellen zu vermeiden. Das gilt nicht nur für Leaks, sondern auch für eine Vielzahl anderer Unternehmenssituationen.

Hier finden Sie den H/Advisors Report.

Der Beitrag erschien im Online-Magazin Restructuring Business, Ausgabe 02_2023. Sie können den Original-Beitrag hier downloaden.

Foto: iStock.com/viti

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