Von Daniela Münster
Unternehmen ohne Insolvenz zu sanieren – das ist das Ziel des am 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen, kurz StaRUG. Kriselnde Unternehmen sollen danach notwendige Sanierungsmaßnahmen mithilfe eines Restrukturierungsplans unter Einbeziehung ausgewählter Gläubiger umsetzen und somit ein Insolvenzverfahren vermeiden können. Zusätzlich schafft StaRUG einen gesetzlichen Rahmen für Früherkennungspflichten und Krisenmanagement – und trägt somit dazu bei, besser durch Krisen zu navigieren.
Das StaRUG-Verfahren eignet sich jedoch nicht für alle Sanierungsfälle. Unternehmen mit hauptsächlich operativen oder strategischen Herausforderungen sind oft besser mit einem Regelinsolvenzverfahren beraten. Denn StaRUG ist primär für finanzielle Probleme konzipiert.
Die Vorteile von StaRUG
Das StaRUG-Verfahren ist ein Leitfaden zur vorinsolvenzlichen Sanierung bzw. enthält einen entsprechenden Werkzeugkasten. Herzstück des Verfahrens ist ein von dem betroffenen Unternehmen aufgestellter Restrukturierungsplan, aus dem hervorgehen muss, dass bei seiner Umsetzung große Chancen bestehen, die Krise zu überwinden.
Die Besonderheit des Verfahrens liegt darin, dass die Geschäftsleitung nicht alle Gläubiger in die Sanierung einbeziehen muss. Sie kann gezielt auswählen, welche sie beteiligen möchte und welche nicht. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Umsetzung deutlich. Zudem behält die Unternehmensführung die Verfügungshoheit und führt die Sanierung in Eigenregie durch. Sie entscheidet selbst, ob mit oder ohne Begleitung durch ein Gericht. Eine Beteiligung kann jedoch die Rechtssicherheit des Verfahrens erheblich erhöhen, insbesondere wenn nicht alle Gläubiger dem Restrukturierungsplan zustimmen.
Anschließend müssen die beteiligten Gläubiger dem Restrukturierungsplan zustimmen, allerdings nur mit einer 75 %-Mehrheit. Zudem ist es in einem StaRUG-Verfahren möglich, Gläubiger, die den Plan ablehnen, zu überstimmen, wodurch das Risiko einer Blockade deutlich verringert wird.
Und noch einen Vorteil bietet ein solches Vorgehen, allerdings nur auf den ersten Blick. Da es sich bei einer StaRUG-Restrukturierung um ein nicht-öffentliches Verfahren handelt, müssen nur wenige Meilensteine kommuniziert werden. Dies kann sich allerdings als Trugschluss erweisen: Denn Stakeholder wollen vor allem in unsicheren Zeiten möglichst dezidiert informiert werden und fordern dies aus Gründen der Transparenz auch ein.
Systematische Kommunikation mit Fingerspitzengefühl nötig
Die richtige Kommunikation ist daher eine Gratwanderung. Erschwerend kommt hinzu, dass das StaRUG-Verfahren bisher noch nicht ausreichend bekannt ist bzw. wenig Anwendung gefunden hat. Dadurch ist der Erklärungsbedarf umso höher ist – insbesondere in Abgrenzung zum klassischen Insolvenzverfahren.
Interne Zielgruppen wollen wissen, was die Geschäftsleitung unternimmt, um das Unternehmen wieder auf einen erfolgreichen Kurs zu bringen. Sie wollen über aktuelle Sachstände regelmäßig und zeitnah durch einen präsenten Vorstand informiert werden. Denn sie wollen mit ihren Ängsten und Befürchtungen nicht alleingelassen werden, sondern das Gefühl haben, die Geschäftsleitung arbeitet daran, die Situation nachhaltig zu verbessern. Eine solche Kommunikation mit Fingerspitzengefühl und Empathie ist insbesondere dann wichtig, wenn Maßnahmen zum Personalabbau oder Standortschließungen Teil der Restrukturierung sind. Auch die Gremien der Mitbestimmung sollten frühzeitig eingebunden werden.
In der externen Kommunikation sollten die Interessen der einzelnen Stakeholder ebenfalls konkret berücksichtigt werden. So ist bei Standortschließungen ein offener Dialog mit der Politik maßgeblich, um möglichst Akzeptanz für die Maßnahme zu finden. Besonders sensibel ist der Umgang mit den Medien. Wenn ungesteuert Informationen in die Öffentlichkeit gelangen, nährt dies möglicherweise Spekulationen, die bei Gläubigern, Kunden und Lieferanten zu Verunsicherungen führen können.
Letztlich sollte die begleitende StaRUG-Kommunikation immer das Ziel haben, die Deutungshoheit zu behalten und die aktuellen Entwicklungen zielgruppengerecht einzuordnen: präzise, systematisch und zukunftsorientiert.
BMJ überprüft Verfahren – nicht im Sinne aller Aktionäre?
Kleinaktionäre von börsennotierten Unternehmen bemängeln, dass das StaRUG-Verfahren zu einer De-facto-Enteignung führen kann – und erhalten dabei auch Unterstützung durch die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).
Für die DSW beinhaltet das StaRUG-Verfahren noch erhebliche Schwächen beim Schutz der betroffenen Anleger. Sie fordert daher vom Bundesministerium für Justiz (BMJ) Nachbesserungen am Gesetz. Das BMJ überprüft aktuell, ob das StaRUG-Verfahren das leistet, was sich der Gesetzgeber davon versprochen hat. Das Ergebnis der Überprüfung wird im Juli 2024 erwartet – eine Erweiterung der Gesetzgebung scheint durchaus möglich.
Mehr als vorinsolvenzliche Restrukurierung: Pflicht zu Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement
Mit dem StaRUG-Verfahren wurde zudem eine Pflicht zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement eingeführt. Danach ist jede Geschäftsführung verpflichtet, höhere Anforderungen an Qualität und Aussagekraft von Unternehmensdaten zu gewährleisten. Geschäftsführer müssen sich vor diesem Hintergrund frühzeitig verstärkt mit den Risiken des Geschäfts auseinandersetzen. Bei sich abzeichnenden negativen Entwicklungen sind unverzüglich entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten sowie das Kontrollgremium, beispielsweise der Aufsichtsrat, zu benachrichtigen.
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